Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Göttern für seinen Joss, während er den schmalen Pfad weiter hinaufkletterte. Nur noch hundert Meter waren es zu seinem Teil der Siedlung hinauf, um diese letzte Ecke herum. Er beschleunigte seine Schritte und blieb stehen. Diesen Teil der Siedlung gab es nicht mehr, nur eine tiefe Senke im Boden war geblieben, und unten, in zweihundert Fuß Tiefe, eine aufgestaute Lawine von Schlamm und Schutt. Hunderte von Wohnstätten waren verschwunden.
Wie betäubt kletterte er weiter, lenkte seine Schritte zur nächsten Hütte und klopfte an die Tür. Eine alte Frau öffnete und beäugte ihn mißtrauisch.
»Verzeihen Sie, Verehrte Dame, ich bin Wo Tscho-tams Sohn aus Ningtok …«
Die Frau, Einzahn Yang, starrte ihn verständnislos an, fing aber dann an zu reden, doch Wu verstand ihre Sprache nicht. Er dankte ihr und ging weiter. Er hatte nicht daran gedacht, daß hier Leute aus Schanghai wohnten, die einen anderen Dialekt sprachen. Ein Stück weiter den Hang hinauf klopfte er wieder an eine Tür.
»Verzeihung, Ehrenwerter Herr, was ist hier geschehen? Ich bin Wu Tscho-tams Sohn aus Ningtok, und meine Familie hat da gewohnt.« Er deutete auf den Abgrund.
»Es geschah in der Nacht, Ehrenwerter Wu«, antwortete der Mann in einem kantonesischen Dialekt, den er verstand. »Es klang wie der alte Kantonexpreß, und dann dröhnte die Erde, die Menschen schrien, und in einigen Hütten brach Feuer aus.
Dew neh loh moh, die Nacht war schlimm!« Der Nachbar war ein zahnloser Alter, und sein Mund öffnete sich zu einem Grinsen. »Den Göttern sei Dank, daß Sie nicht da geschlafen haben, heya ?« Er schloß die Tür.
Wu suchte sich vorsichtig einen Weg hinunter. Endlich fand er einen Gemeindeältesten aus der Gegend von Ningtok. »Ah, Augenglas Wu, Polizist Wu, einige Mitglieder deiner Familie sind da oben.« Ein knorriger Finger deutete nach oben. »Dort, im Hause deines Vetters Wu Wampak.«
»Hat es viele Opfer gegeben, Ehrenwerter Herr?«
»Der Teufel soll alle Erdrutsche holen, woher soll ich das wissen? Bin ich der Hüter dieses Berges? Dutzende werden vermißt.«
Augenglas Wu dankte ihm. In der Hütte fand er den Neunten Onkel, Großmutter, die Frau des Sechsten Onkels und ihre vier Kinder, die Frau des Dritten Onkels und ihr Baby. Der Fünfte Onkel trug einen gebrochenen Arm in einer primitiven Schiene.
»Und die anderen?« fragte er. Sieben fehlten.
»In der Erde«, antwortete die Großmutter. »Hier hast du Tee, Augenglas Wu.«
»Danke dir, Verehrte Großmutter! Und Großvater?«
»Er ist noch vor dem Rutsch in die Tiefe gestürzt. In der Nacht vor dem Rutsch.«
»Joss. Und Fünfte Nichte?«
»Sie ist verschwunden.«
»Könnte sie noch am Leben sein?«
»Vielleicht. Sechster Onkel sucht sie jetzt unten, sie und die anderen, obwohl sie ein unnützes Maul ist. Aber was geschieht jetzt mit meinen Söhnen und deren Söhnen?«
»Joss«, sagte Wu traurig, ohne die Götter zu verfluchen. Auch Götter machen Fehler.
»Wir werden Räucherstäbe für sie anzünden. Joss.« Er setzte sich auf eine alte Kiste.
»Neunter Onkel, wie steht es mit unserer Fabrik? Wurde sie beschädigt?«
»Nein, allen Göttern sei Dank!« Der Mann war völlig benommen. Er hatte seine Frau und drei Kinder verloren und sich selbst im letzten Augenblick aus dem Meer von Schlamm gerettet, das seiner Familie zum Verhängnis geworden war.
»Gut.« Dort befanden sich auch alle Papiere und Unterlagen für die »Freiheitskämpfer« – wie auch die alte Schreibmaschine und die noch ältere Kopiermaschine. »Sehr gut. Also, Fünfter Onkel, morgen kaufst du eine Kunststoffverarbeitungsmaschine, von jetzt ab machen wir unsere eigenen Blumen. Sechster Onkel wird dir helfen, und wir fangen frisch an.«
Ärgerlich spuckte der Alte aus. »Wo sollen wir denn das Geld hernehmen, was? Wie können wir …« Er brach ab und machte große Augen. Alle sperrten den Mund auf.
Augenglas Wu hatte das Bündel Scheine aus der Tasche genommen. » Ayeeyah, Verehrter Jüngerer Bruder, ich sehe, daß du endlich doch so klug warst, mit der Schlange zusammenzuarbeiten.«
»Wie weise«, riefen die anderen stolz im Chor. »Mögen alle Götter Jüngeren Bruder segnen!«
Der junge Mann schwieg. Er ließ sie dabei, weil er wußte, daß sie ihm die Wahrheit nicht glauben würden. »Morgen geh los und schau dich nach einer guten Maschine aus zweiter Hand um! Du kannst bis neunhundert Dollar dafür zahlen«, erklärte er dem alten Mann, wohl wissend, daß auch
Weitere Kostenlose Bücher