Hongkong 02 - Noble House Hongkong
sah, wie er die Augen aufschlug und sich wohlig rekelte. »Zeit aufzustehen, mein Sohn«, sagte sie in gebieterischem Ton. »Du mußt dich waschen, anziehen, telefonieren und deiner armen alten Mutter Arbeit machen, heya ?«
»Ja, Mutter«, brummelte Dunross auf Kantonesisch, schüttelte sich wie ein nasser Hund, streckte sich noch einmal, stieg aus dem Bett und marschierte nackt ins Badezimmer.
Kritisch betrachtete sie seinen Körper, die faltigen, grausamen Narben von den beim Absturz seines Flugzeugs erlittenen Verbrennungen, die seine Beine bedeckten. Aber die Beine waren stämmig, die Flanken kräftig und der Yang forsch und gesund. Gut, dachte sie, ich freue mich zu sehen, daß alles in Ordnung ist. Trotzdem war sie über seine Magerkeit besorgt, über das Fehlen eines gepflegten Bauches, wie er seinem Reichtum und seiner Position entspräche. »Du ißt nicht genug, mein Sohn!«
»Mehr als genug!«
»Im Eimer ist heißes Wasser. Vergiß nicht, dir die Zähne zu putzen!«
Zufrieden begann sie, das Bett zu machen. »Er hat diese Ruhepause nötig gehabt«, murmelte sie, ohne zu merken, daß sie laut sprach. »Er war ja wie verrückt diese letzte Woche, hat von früh bis spät gearbeitet, und die Angst hat ihm im Gesicht gestanden, solche Angst kann töten.« Und sie rief ihm nach: »Schlag dir heute nicht wieder die Nacht um die Ohren! Du mußt auf dich aufpassen, und wenn du dir eine Hure nimmst, bring sie hierher wie ein vernünftiger Mensch, heya ?«
Sie hörte ihn lachen, und sie war froh. In den letzten Tagen hat er zu wenig gelacht, dachte sie. »Ein Mann braucht Heiterkeit und ein jugendfrisches Yin, um seinen Yang zu nähren. Was hast du eben gesagt?«
»Ich sagte, wo ist Tochter Nummer Eins?«
»Kommt und geht, immer mit diesem neuen Barbaren«, antwortete sie, ging zur Badezimmertür und sah zu, wie er sich mit Wasser überschüttete. »Der mit den langen Haaren und ungebügelten Hosen, der für den China Guardian arbeitet. Mit dem bin ich ganz und gar nicht einverstanden!«
»Wo gehen sie denn immer hin, Ah Tat?«
Die alte Frau zuckte die Achseln und blies die Backen auf. »Je schneller Tochter Nummer Eins unter die Haube kommt, desto besser. Soll doch ein anderer sehen, wie er mit ihr fertig wird, nicht immer nur du! Oder du legst sie mal richtig übers Knie.«
Wieder lachte er, und sie fragte sich, warum er diesmal lachte. »Bekommt langsam auch schon eine weiche Birne«, brummte sie, wandte sich ab und verließ das Schlafzimmer.
Er stand in der Wanne und goß noch einen Eimer kaltes Wasser über sich. Ich wollte, es wäre endlich mal Schluß mit dieser verdammten Wasserknappheit, dachte er, ich könnte eine richtige heiße Dusche gebrauchen – aber seine Gedanken kreisten immer wieder um Adryon, und sofort hörte er wieder Penelopes Ermahnung: »Sei doch vernünftig, Ian, es ist ihr Leben! Sei doch vernünftig!«
»Ich bemühe mich«, murmelte er, während er sich kräftig abtrocknete. Kurz vor dem Einschlafen hatte er Penelope auf Schloß Avisyard angerufen. »Kathy kommt nächste Woche. Ich hoffe so sehr, daß die Untersuchungen gut verlaufen sind.«
»Ich stehe mit den Ärzten in Verbindung, Penn.« Er erzählte ihr, daß er Gavallan nach Schottland schickte. »Er wollte immer schon hin, Kathy auch. Es wird ihnen beiden guttun. Sie können sich im Ostflügel einrichten.«
»Oh, das ist wunderbar, Ian!«
»Wie ist denn das Wetter bei euch?«
»Wir haben herrliches Wetter, und das Haus ist so schön. Kannst du nicht auf ein paar Tage herkommen?«
»Ich kann jetzt hier nicht weg, Penn. Hast du von der Börse gehört?«
Er hörte das kurze Schweigen und konnte sich vorstellen, wie ihr Gesicht sich veränderte. Er ahnte ihren ohnmächtigen Zorn gegen die Börse, gegen Hongkong und das Geschäft.
»Ja. Es muß schrecklich sein«, hatte sie geantwortet, »du Armer. Alastair war gestern abend ganz aus dem Häuschen. Es kommt doch alles wieder in Ordnung, nicht wahr?«
»O ja«, sagte er zuversichtlich und fragte sich, was sie wohl sagen würde, wenn sie wüßte, daß er für den Murdagh-Kredit – wenn er ihn bekam – persönlich würde haften müssen. Er berichtete ihr alle Neuigkeiten und erzählte ihr auch, daß AMG ihm eine sehr interessante Botschaft geschickt hatte, und daß die Überbringerin eine Schweizerin japanischer Herkunft war. »Eine tolle Ische!«
»Nicht zu toll, will ich hoffen.«
»Aber nein. Wie geht es Glenna, und wie geht es dir?«
»Ausgezeichnet! Hast
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