Hongkong 02 - Noble House Hongkong
einen Satz, den ich behalte, und morgen früh unterschreiben wir offiziell. Können Sie morgen früh in meinem Büro sein, sagen wir um halb acht? Dann würden wir …«
Unwillkürlich stöhnte Murdagh auf. »Wie wäre es um acht, Tai-Pan, oder halb neun? Ich muß eine ganze Menge versäumten Schlaf nachholen.«
»Halb acht. Sie können den ganzen Tag schlafen. Und für den morgigen Abend sind Sie besetzt.«
»Ich bin besetzt?«
»Ja. Sie sollten sich gut ausruhen. Sie werden morgen abend sehr beschäftigt sein.«
»Womit?«
»Sie sind nicht verheiratet, Sie sind nicht gebunden, also wäre ein unterhaltsamer Abend doch keine schlechte Sache, nicht wahr?«
»Sicher nicht.« Murdaghs Gesicht erhellte sich merklich.
»Gut. Ich schicke Sie zu einem meiner Freunde in Aberdeen. Zu Goldzahn Wu.«
»Zu wem?«
»Es ist ein alter Freund der Familie. Völlig sicher. Und weil wir gerade dabei sind – nächste Woche Lunch auf dem Rennplatz?«
»O danke. Miss Tcholok hat mir gestern einen heißen Tip gegeben, und ich habe auch gewonnen. Es heißt, Sie werden nächsten Sonnabend Noble Star reiten. Stimmt das?«
»Vielleicht.« Dunross fixierte ihn. »Ist das Geschäft wirklich gelaufen? Kann da niemand mehr dazwischenfunken?«
»Ausgeschlossen! Oh! Beinahe hätte ich’s vergessen.« Er reichte ihm das bestätigende Telex. »Alles wie abgesprochen.« Murdagh warf einen Blick auf die Uhr. »In New York ist es jetzt sechs Uhr früh, aber Sie möchten in einer Stunde Mr. S. J. Beverly, den Vorsitzenden unseres Vorstands, anklingeln – er erwartet Ihren Anruf. Das ist seine Nummer.« Er strahlte. »Sie haben mich zum Vizepräsidenten für Asien gemacht.«
»Meinen Glückwunsch!«
Dunross wußte, daß er bald gehen mußte, denn er wollte sich nicht verspäten und Riko nicht warten lassen. »Wollen wir jetzt paraphieren?«
Murdagh war bereits dabei, die Papiere zu sortieren. »Noch eines, Tai-Pan: S.J. hat gesagt, wir müssen die Sache geheimhalten.«
»Das wird schwer sein. Wer hat das alles getippt?«
»Meine Sekretärin – aber sie ist Amerikanerin und hält dicht.«
Dunross nickte, aber er war nicht überzeugt. Das Mädchen am Fernschreiber, die Telefonistin, die Putzfrau – wie immer er oder Murdagh sich verhielten, die Neuigkeit mußte bald allgemein bekannt sein. Wie, fragte er sich, konnte man den größten Vorteil aus allem ziehen, solange niemand davon wußte? Es fiel ihm schwer, nicht vor Freude an die Decke zu springen angesichts dieses beispiellosen, noch nie dagewesenen Deals. Er begann einen Satz der Verträge zu paraphieren, Murdagh einen anderen. Er brach ab, als er die Eingangstür aufgehen und mit einem Knall zufallen hörte. »Ah Tat!« brüllte Adryon, und ließ eine Flut von Kantonesisch nachfolgen, die mit den Worten endete: »… und, bei allen Göttern, hast du meine neue Bluse geplättet?«
»Bluse? Welche Bluse, meine ungeduldige junge Dame mit der durchdringenden Stimme? Die rote? Die rote gehört Hauptfrau, und die hat dir …«
»Ach, die gehört jetzt mir, Ah Tat! Ich habe dir sehr ernsthaft aufgetragen, sie zu plätten.«
Auch Murdagh hatte die Feder weggelegt und lauschte dem schrillen Kantonesisch der beiden Frauen. »Mein Gott«, sagte er, »ich werde mich nie daran gewöhnen, wie die Dienstboten hier herumschreien.«
Dunross lachte, winkte ihm mitzukommen und öffnete vorsichtig die Tür. Murdagh schnappte nach Luft. Adryon hatte die Hände in die Hüften gestemmt und begeiferte Ah Tat, die in gleicher Weise zurückfeuerte. Eine versuchte die andere zu übertönen, und keine hörte der anderen zu.
»Ruhe!« rief Dunross, und beide verstummten. »Vielen Dank! Du gibst ganz schön an, Adryon«, tadelte er sie milde.
Sie strahlte ihn an. »Guten Abend, Vater! Hast du die …« Sie sah Murdagh und brach ab. Die Veränderung entging Dunross nicht.
»Ach, Adryon, darf ich dir Dave Murdagh, Vizepräsident für Asien der Royal Belgium and Far East Bank, vorstellen?« Er streifte Murdagh mit einem Blick und sah den verdatterten Ausdruck auf seinem Gesicht. »Das ist meine Tochter Adryon.«
»Sie, äh, sprechen Chinesisch, Miss Dunross?«
»Ach ja, ja natürlich. Kantonesisch. Selbstverständlich. Sind Sie neu in Hongkong?«
»Ach nein, Ma’am, nein, ich bin schon ein halbes Jahr hier.«
Dunross beobachtete die beiden mit zunehmender Belustigung. Ach ja, dachte er, Junge trifft Mädchen. Mädchen trifft Jungen, und wer weiß, vielleicht ist er der Mann, der Haply einen
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