Hongkong 02 - Noble House Hongkong
einen Augenblick entschuldigen, Tai-Pan, es ist jemand an der Tür.«
»Soll ich zurückrufen?« Er wollte ihnen Zeit zum Überlegen lassen.
»Nein, das wird nicht nötig sein, wenn es Ihnen nichts ausmacht, einen Augenblick zu warten!«
Der Hörer wurde niedergelegt. Im Hintergrund spielte ein Radio. Unklare Geräusche, die auch gedämpfte Stimmen sein konnten. Das Warten schien kein Ende nehmen zu wollen. Das Telefon knackte.
»Verzeihung, Tai-Pan! Bitte schicken Sie uns diese Kopien bald – würde es Ihnen nach der Postsitzung passen?«
»Gewiß.«
»Richten Sie bitte Mr. David MacStruan bei seiner Ankunft unsere besten Grüße aus!«
Beinahe wäre Dunross der Hörer aus der Hand gefallen. »Ich darf sie in seinem Namen erwidern. Wie geht es Mr. Yu?« fragte er, einen Sprung ins Dunkle wagend, und hätte doch am liebsten ins Telefon geschrien: »Was ist mit dem Geld?« Doch dies war ein chinesisches Verhandeln. Hier war Vorsicht geboten.
»Gut«, antwortete Tiptop. »Ach ja, richtig. Mr. Yu hat heute nachmittag aus Kanton angerufen. Er würde das Gespräch mit Ihnen gerne auf einen früheren Zeitpunkt verlegen, wenn das möglich wäre. Etwa auf morgen, Montag, in zwei Wochen.«
Dunross überlegte kurz. Das war die Woche, in der er sich in Japan aufhalten wollte, um mit Toda Shipping über das ganze Kauf-Lease-back-Programm Verhandlungen zu führen; sicher würden sie sich jetzt, da die First Central hinter ihm stand, sehr erfolgversprechend anlassen. »An dem Montag wird es schwer gehen. Der darauffolgende wäre besser. Kann ich das Freitag noch bestätigen?«
»Gewiß. Aber ich will Sie jetzt nicht länger aufhalten, Tai-Pan.«
Jetzt, da die letzte Phase erreicht war, stieg Dunross’ Spannung ins Unerträgliche.
Aufmerksam lauschte er der liebenswürdigen, freundlichen Stimme.
»Ich danke Ihnen für Ihre Informationen. Ich nehme an, daß der arme Kerl morgen bei Sonnenuntergang an der Grenze sein wird. Ach, übrigens: Wenn die nötigen Bankdokumente morgen um neun von Mr. Havergill persönlich, von Ihnen und dem Gouverneur überbracht werden, kann eine halbe Milliarde Dollar in Banknoten unverzüglich an die Victoria ausgezahlt werden.«
Sofort durchschaute Dunross den Trick. »Vielen Dank«, sagte er. »Mr. Havergill und ich werden da sein. Doch leider wurde der Gouverneur, soweit mir bekannt ist, vom Premierminister angewiesen, bis Mittag im Government House zu verbleiben, um für allfällige Konsultationen zur Verfügung zu stehen. Aber ich werde seine schriftliche Vollmacht und den Chop mitbringen, womit die Rückzahlung des Kredits gewährleistet ist.« Natürlich konnte der Gouverneur unmöglich wie ein gewöhnlicher Schuldner mit dem Hut in der Hand erscheinen und einen unannehmbaren Präzedenzfall schaffen. »Ich hoffe, damit eine zufriedenstellende Lösung anzubieten.«
»Ich bin sicher, daß die Bank für die Pflichten des Gouverneurs Verständnis zeigen und bis Mittag warten würde«, gab Tiptop mit dem sanften Schnurren einer Katze zurück.
»Nach Mittag wird der Gouverneur wohl, von Truppen unterstützt, mit der Bereitschaftspolizei auf der Straße sein, um mögliche Einsätze gegen von den Imperialisten angezettelte Krawalle anzuordnen. Er ist ja Oberbefehlshaber.«
Tiptops Stimme wurde schärfer. »Auch ein Oberbefehlshaber kann sich für eine zweifellos wichtige Angelegenheit ein paar Minuten Zeit nehmen.«
»Es wäre ihm sicherlich ein Vergnügen«, gab Dunross furchtlos zurück. Er kannte die asiatische Art zu verhandeln und war auf Wutausbrüche, Honigseim und alles, was dazwischenlag, vorbereitet. »Aber der Schutz der Interessen des Reichs der Mitte und der Kolonie genießen bei seinen Entscheidungen absoluten Vorrang.«
Feindseliges Schweigen folgte. »Was würden Sie also vorschlagen?«
Wieder wich Dunross der Falle aus, indem er geschickt auf eine andere Gesprächsebene überging. »Übrigens hat mich sein Adjutant ersucht zu erwähnen, daß Seine Exzellenz nächsten Sonnabend beim Rennen für einige unserer prominentesten chinesischen Bürger eine Party gibt und gerne wissen möchte, ob Sie sich in der Kolonie aufhalten, damit er Ihnen eine Einladung zugehen lassen kann.« Mit dieser Formulierung überließ er es Tiptop, eine politisch bedeutsame Einladung anzunehmen oder ohne Gesichtsverlust auszuschlagen. Dunross lächelte, denn noch wußte der Gouverneur nichts von der Party, die er nächsten Sonnabend geben würde.
Wieder eine Pause, in der Tiptop über die
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