Hongkong 02 - Noble House Hongkong
wenn?«
»Wenn er welche eingebaut hat und es wahr ist, kann er uns so schnell zur Sau machen, daß dir schwindlig wird.«
»Mag sein – aber wenn er es ist, dann weiß er, daß wir ihm auf die Schliche gekommen sind; ist er es nicht, wird er uns auslachen, und ich bin aus dem SI draußen.
Aber wie auch immer: Er kann nicht jeden Chinesen im Polizeiapparat zur Sau machen.«
Armstrong starrte ihn an. »Was soll das nun wieder heißen?«
»Vielleicht gibt es eine Akte über ihn. Vielleicht hat jeder Chinese vom Corporal aufwärts sie gelesen? Du weißt doch, daß die Chinesen allesamt Vereinsmeier sind.
Mag sein, es gibt ein Dossier, mag sein …«
»Du meinst, ihr seid alle zu einer Bruderschaft zusammengeschlossen? Zu einer fong, einer Geheimgesellschaft? Eine Triade innerhalb des Polizeiapparats?«
»Ich sagte: vielleicht. Das sind alles nur Mutmaßungen, Robert. Ich sagte: vielleicht und möglicherweise.«
»Wer ist der Oberdrache? Du?«
»Ich habe nie gesagt, daß ein solcher Verein existiert.«
»Gibt es noch andere Dossiers? Über mich, zum Beispiel?«
»Vielleicht.«
»Und?«
»Und wenn es eines gäbe, Robert«, antwortete Brian Kwok sanft, »dann stünde darin zu lesen, daß du ein guter Polizist bist, unbestechlich, daß du an der Börse hoch spekulierst, daß du falsch spekuliert hast und etwa zwanzigtausend brauchtest, um gewisse dringende Verpflichtungen zu erfüllen … und noch ein paar andere Dinge.«
»Was für andere Dinge?«
»Wir sind hier in China, alter Freund. Wir wissen fast alles, was quai loh hier betrifft. Das müssen wir doch, wenn wir überleben wollen, nicht wahr?«
Armstrong sah ihn fragend an. »Warum hast du mir das nicht früher gesagt?«
»Ich habe dir auch jetzt nichts gesagt. Nichts. Ich sagte: vielleicht, und ich wiederhole: vielleicht. Aber wenn das alles wahr ist …« Er schob ihm die Akte hin. »Wenn es wahr ist, sieht es verdammt mies aus, und wir werden rasch handeln müssen. Was ich gesagt habe, das waren alles nur Mutmaßungen. Aber nicht in bezug auf Crosse.
Hör mal, Robert, ich wette tausend … tausend zu eins, daß er der Maulwurf ist.«
8
19.43 Uhr:
Dunross las den Informationsbrief ein drittes Mal zu Ende. Er hatte ihn wie immer sofort nach dem Eintreffen gelesen und dann ein zweites Mal auf dem Weg zum Gouverneurspalast. Sein Arbeitszimmer befand sich im zweiten Stock des Großen Hauses, das auf einer Kuppe im oberen Bereich des Peaks stand. Von den in Blei gefaßten Erkerfenstern aus überblickte man den von Scheinwerfern angestrahlten Park und tief unten die Stadt mit der unendlichen Weite des Hafens.
Die alte Großvateruhr schlug Viertel vor acht.
Noch fünfzehn Minuten, dachte er, dann kommen unsere Gäste, die Party beginnt, und wir alle nehmen an einer neuen Scharade teil. Oder vielleicht spielen wir nur die alte weiter?
Der Raum hatte eine hohe Decke, alte Eichentäfelung, dunkelgrüne Samtvorhänge und chinesische Seidenteppiche. Es war ein Herrenzimmer – bequem, altmodisch, ein wenig verbraucht und sehr gepflegt. Er hörte die gedämpften Stimmen der Dienerschaft unten. Ein Wagen kam den Hügel herauf und fuhr weiter.
Er saß in einem tiefen Lehnsessel mit seitlichen Kopfpolstern und trug einen Smoking, doch die Schleife war noch nicht gebunden. Zerstreut starrte er aus dem Fenster. Von düsteren Ahnungen erfüllt, beschäftigte er sich in Gedanken mit Sevrin und dem Verräter und all den anderen üblen Dingen, die der Bericht voraussagte.
Was tun?
»Lachen«, gab er sich laut die Antwort. »Lachen und kämpfen.«
Er erhob sich und ging mit lockeren Schritten zu dem Ölbild Dirk Struans, das über dem Kamin an der Wand hing. Der Rahmen war schwer und alt, geschnitzt und vergoldet und hing auf einer Seite an Scharnieren. Er klappte das Bild von der Wand weg und öffnete den Safe, der sich dahinter befand. In dem Safe lagen viele Dokumente, manche sauber mit roten Bändern verschnürt, die einen alt, die anderen neu, ein paar Schächtelchen, eine gut geölte, geladene Mauser, eine alte Bibel mit dem Struan-Wappen auf dem feinen Ledereinband, und sieben grau eingeschlagene Akten, ähnlich der, die er in der Hand hielt.
Nachdenklich stellte er sie neben die anderen. Einen Augenblick lang starrte er sie an und wollte dann den Safe schließen, hielt aber inne, als sein Blick auf die alte Bibel fiel. Seine Finger glitten zart über sie hin, dann hob er sie heraus und schlug sie auf Zwei Hälften einer alten, grob
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