Hongkong 02 - Noble House Hongkong
los?«
»Sie war schon wieder in meinem Ankleideraum – die Hälfte meiner besten Strümpfe sind weg, der Rest überall verstreut, meine Schals sind durcheinander, meine neue Bluse ist weg, und mein neuer Gürtel ist verschwunden. Sie hat mir sogar mein bestes Hermes geklaut … ich komme mit diesem Kind einfach nicht zurecht!«
»Ich werde wieder mit ihr sprechen.«
»Das wird gar nichts nützen.«
»Ich weiß. Hier.« Er reichte ihr ein schlankes Etui. »Alles Liebe zum zwanzigsten!«
»Oh, danke dir, Ian! Deines ist unten. Du …« Sie unterbrach sich und öffnete das Etui. Es enthielt ein Armband aus geschnitztem Jade, ein sehr feines, sehr altes, kostbares Sammlerstück. »O wie schön, danke, Ian!« Sie schob es über das dünne Goldkettchen, das sie trug. Doch so scharf er sein Ohr auch auf ihre Stimme einstellte, er konnte weder wirkliche Freude noch wirkliche Enttäuschung hören. »Es ist wunderschön«, sagte sie, beugte sich vor und berührte mit ihren Lippen seine Wange. »Wo hast du es gefunden?«
»In der Cat Street. Bei Wong Tschun Kit. Er gab …«
Die Tür flog auf, und ein Mädchen kam hereingeschossen. Sie war groß, schlank und blond und stieß atemlos hervor: »Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen, daß ich für heute abend einen Freund eingeladen habe, er hat eben angerufen, daß er kommt, doch erst später, aber ich dachte, das geht in Ordnung. Er ist eine Wolke. Ein Koffer.«
»Du lieber Himmel, Adryon«, tadelte Dunross sie sanft. »Wie oft muß ich dich noch bitten, anzuklopfen, bevor du hier hereinstürmst, und würdest du die Freundlichkeit haben, englisch mit uns zu reden? Was, zum Teufel, ist ein Koffer?«
»Dufte, steil, wolkig, ein Koffer. Tut mir leid, Vater, aber du bist wirklich nicht sehr rasch. Wolkig und Koffer sind jetzt in, sogar in Hongkong. Auf bald, ich habe noch zu tun. Nach der Party gehe ich aus – ich komme spät, also …«
»Wart’ einen Augen …«
»Das ist meine neue Bluse!« explodierte Penelope. »Zieh sie sofort aus, Adryon! Ich habe dir schon fünfzigmal gesagt, du hast in meinem Ankleideraum nichts zu suchen!«
»Ach, Mutter«, gab Adryon ebenso laut zurück, »du brauchst sie doch nicht, kann ich sie mir nicht für heute abend ausborgen? Bitte!« bettelte sie. »Bitte, bitte? Vater, sprich du mit ihr!« Sie sprach in perfektem amah- Kantonesisch weiter: »Ehrenwerter Vater … bitte hilf deiner Tochter Nummer Eins, das Unerreichbare zu erreichen, oder ich werde weinen, bitterlich weinen, oh ko …« Und wieder ins Englische zurück, ohne abzusetzen: »Mutter … du brauchst sie nicht, und ich …«
»Nein.«
»Ach komm schon, bitte, bitte! Ich werde auch aufpassen – ich verspreche es.«
»Also wenn du versprichst …«
»O danke!« Das Mädchen strahlte, machte kehrt und lief hinaus; hinter ihr knallte die Tür zu.
»Verdammt nochmal«, brüllte Dunross. »Warum, zum Teufel, muß immer eine Tür knallen, wenn sie ein Zimmer verläßt?«
»Wenigstens tut sie es nicht mehr absichtlich.« Penelope seufzte. »Ich glaube nicht, daß ich eine solche Kraftprobe noch einmal durchhalten könnte.«
»Ich auch nicht. Gott sei Dank ist Glenna vernünftig.«
»Das geht vorüber, Ian. Sie gerät ihrem Vater nach, so wie Adryon.«
»Dieser Jähzorn, diese Gereiztheit entspricht nicht meinem Wesen«, konterte er scharf. »Und da wir schon beim Thema sind: Ich hoffe, Adryon hat diesmal einen netten Jungen gefunden und nicht wieder so Heinis wie bisher. Wen hat sie denn heute eingeladen?«
»Ich weiß es nicht, Ian.«
»Das sind immer schreckliche Kerle. Sie hat so gar keinen Geschmack, was Männer angeht … Erinnerst du dich an diesen Kaktusschädel mit den steinzeitlichen Armen, in den sie so verknallt war? Mein Gott, sie war kaum fünfzehn und …«
»Sie war fast sechzehn.«
»Wie hieß er doch gleich? Ach ja, Byron. Byron, das muß man gehört haben!«
»Es war doch nur eine jugendliche Schwärmerei.«
»Eine Gorilla-Schwärmerei, bei Gott«, versetzte Dunross noch brummiger. »Das war doch ein richtiger Gorilla … Erinnerst du dich an den andern, der vor diesem verdammten Byron … dieser geistig kastrierte Bastard … wie hieß er doch gleich?«
»Victor. Ja, Victor Hopper. Das war der … o ja, ich erinnere mich, das war der, der mich fragte, ob ich etwas dagegen hätte, wenn er mit Adryon schliefe.«
»Was hat er?«
»Ja, ja.« Sie lächelte ihn mit unschuldiger Miene an. »Ich habe es dir damals nicht
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