Hongkong 02 - Noble House Hongkong
war.
Historisch gesehen ist China heute, was es immer war und immer sein wird – der große Preis, den das imperialistische und hegemonische Rußland sich einzuverleiben trachtet. Der Besitz Chinas oder seine Zerstückelung in balkanisierte Satellitenstaaten ist der ewige Eckstein der russischen Außenpolitik. Noch wichtiger allerdings ist die Vernichtung Westeuropas, denn dann, so glauben die Russen, können sie China ohne große Schwierigkeiten schlucken.
Die Dokumente enthüllen, daß Sevrins Hongkonger Zelle aus einem dort ansässigen Führungsoffizier mit dem Decknamen Arthur und sechs Agenten besteht. Bis auf die Tatsache, daß er in den dreißiger Jahren als KGB-Agent in England angeworben wurde, wissen wir nichts von Arthur.
Mit 6. April 1959 sind zusätzliche, streng geheime Dokumente datiert, die aus dem tschechischen StB (Staatssicherheitsdienst) gestohlen wurden; ich zitiere daraus: ›… wurden nach Mitteilung des Führungsoffiziers Arthur zwischen 1946 und 1949 sechs Agenten in Schlüsselpositionen angeworben: je einer im Kolonialamt Hongkongbüro (Deckname Charles), in der Finanzkammer (Deckname Mason), auf dem Flottenstützpunkt (Deckname John), in der Bank of London and China (Vincent), in der Hongkong Telephone Company (William) und in Struan and Company (Frederick). Nach der üblichen Praxis kennt nur der Führungsoffizier die wahre Identität der sechs Agenten. Sieben konspirative Wohnungen stehen zur Verfügung, darunter solche in den Sinclair Towers auf der Insel Hongkong und im Neun-Drachen-Hotel auf Kowloon. Sevrins New Yorker Kontaktmann führt den Decknamen Guillio. Wegen seiner Beziehungen zur Mafia und zur CIA ist er für uns sehr wichtig.‹«
Guillio, hatte Grant weiter berichtet, sollte ein gewisser Vincenzo Banastasio sein, ein maßgebender Gangster und das gegenwärtige Oberhaupt der Sallapione-Familie. »Wir lassen das durch amerikanische Freunde nachprüfen. Ob der feindliche Agent in der Polizei (darüber mehr an anderer Stelle) zu Sevrin gehört, wissen wir nicht, nehmen es aber an.
Wir sind der Meinung, daß China, um den imperialistischen Bestrebungen der Sowjets entgegenzuwirken, sich gezwungen sehen wird, seine Handelsbeziehungen mit dem Westen in zunehmendem Maße auszubauen. Auch muß es die Leere überbrücken, die 1960 durch die Rücknahme der von den Sowjets zur Verfügung gestellten Techniker und finanziellen Mittel entstanden ist. China muß Ordnung in das Chaos bringen. Chinas Streitkräfte bedürfen dringend der Modernisierung. Das Land hat schlechte Ernten hinter sich. Darum werden alle Arten von strategischen Gütern und Militärgerät, aber auch Grundnahrungsstoffe noch auf Jahre hinaus einen aufnahmefähigen Markt finden.
Mit den besten Empfehlungen verbleibe ich AMG, London, 15. August 1963.«
Wer könnte Arthur sein?
Wer bei Struan’s? Zum Teufel! John Tschen und Tsuyan, geschmuggelte Gewehre und jetzt ein KGB-Agent in unserer Mitte. Wer? Vielleicht …
Es klopfte sanft an die Tür.
»Herein!« rief er, denn er erkannte das Klopfen seiner Frau.
»Es ist gleich acht, Ian«, sagte Penelope. »Ich dachte, ich sollte dich holen. Ich weiß, wie du bist.«
»Ja.«
»Wie ist es denn heute gelaufen? Schreckliche Sache mit John Tschen, nicht wahr? Ich nehme an, du hast die Zeitungen gelesen … Kommst du herunter?«
»Ja. Champagner?«
»Ja, bitte.«
Er schenkte ihr ein und füllte auch sein Glas nach. »Ach, übrigens, Penelope, ich habe einen Mann eingeladen, den ich heute kennengelernt habe; im Krieg war er bei der RAF. Hat mir einen guten Eindruck gemacht. Er heißt Peter Marlowe.«
»Kampfflieger?«
»Ja. Aber Hurricans – keine Spits … Ist das ein neues Kleid?«
»Ja.«
»Du siehst hübsch aus.«
»Vielen Dank, aber das bin ich nicht mehr. Ich fühle mich alt. Trotzdem danke.« Sie setzte sich in den anderen Ohrensessel. »Peter Marlowe, sagtest du?«
»Ja. Der arme Kerl geriet 1942 in Java in Gefangenschaft. Er war dreieinhalb Jahre POW.«
»Ach, der arme Mann! Wurde er abgeschossen?«
»Nein, die Japaner bepflasterten den Flughafen, bevor er sich in Sicherheit bringen konnte. Vielleicht hatte er Glück. Die Zeros erwischten zwei Maschinen auf dem Boden und die letzten zwei, knapp nachdem sie abgehoben hatten – die Piloten verbrannten.«
»Schrecklich!«
»Ja. Gott sei Dank, wir hatten unseren Krieg in Europa.« Dunross sah sie an. »Er erzählt, er sei ein Jahr in Java geblieben, dann hätten ihn die Japaner nach Singapur
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