Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)
nichts, nur die Stimme des Mannes, der sie entführt und seither nur grob behandelt hatte!
Sie schwor sich, wenn sie ihm das erste Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen würde, würde sie ihn anspringen und mit bloßen Händen zerfleischen.
2
Überraschung!
"Wasch dich!" Ihr Entführer stieß sie von sich und sie meinte sogar, dass er die Hand, mit der er sie angefasst hatte, kurz angewidert an seiner Hose abwischte.
Ohne Vorwarnung hatte er sie aus dem Schlaf gerissen, sie an den Haaren gepackt und aus der Zelle geschleift. Sie hatte sich in einer Küche wieder gefunden, in deren großem Kamin ein gemütliches Feuer prasselte. Das Kleid dreckig und zerknittert, die Haare verklebt, voller Stroh und immer noch wirr in ihr Gesicht hängend, musste sie aussehen wie ein verwahrloste, schmutzige Landstreicherin.
Schon wandte er sich zum Gehen.
"In der Truhe dort drüben sind saubere Kleider."
Jeanne drehte sich um, wollte einen Blick auf ihn erhaschen, doch da war er schon aus der Tür verschwunden. Sie hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte und dann der Klang seiner Stiefel auf der Treppe langsam verebbte.
Vorsichtig drehte sie sich um sich selbst und sah sich in der Küche um. Das erste, was ihr auffiel, war, dass diese, ebenso wie der Kerker, im Keller des Hauses zu liegen schien. Hier waren die Fenster ebenfalls knapp unter der Decke in die Mauer geschlagen und wieder konnt sie erkennen, dass sie ebenerdig zum Hof liegen mussten. Zwar hatte der Raum deutlich mehr von diesen Lichtschlitzen und war dadurch um einiges heller, doch sie fand die Lage trotzdem ungewöhnlich für eine Küche. Ihr Blick fiel auf eine schmale Tür und neugierig kam sie näher, schaute hinein und stellte fest, dass es sich um eine gut gefüllte Vorratskammer handelte. Sie sah zwei große Schinken, die von der Decke hingen, mehrere Flaschen Wein, diverse Laibe Käse und an einer Seite hing ein ganzes Bataillon verschiedener getrockneter Kräuter in gebundenen Sträußen von der Decke hinunter. Jeanne entdeckte Gläser mit eingelegten Oliven, Tomaten und Knoblauch in einem schmalen Regal und darunter diverses frisches Gemüse in geflochtenen Weidenkörben. Ein anderes Regal war voll bepackt mit frischem Obst. Sie fragte sich, warum ein Mann allein so viele Lebensmittel benötigte.
Jeanne nahm sich ein paar frische Trauben und kaute auf den süßen kleinen Früchten, als sie sich weiter in der Küche umsah. An einer Wand stande Schränke, hinter deren Türen sie jede Menge Geschirr fand, doch das beeindruckteste Möbelstück des Raumes war der bestimmt drei Meter lange Küchentisch, dessen Platte so massiv schien, dass er selbst das Gewicht mehrerer Personen mühelos würde tragen können. Der Tisch war rechteckig, doch an seinen Kopfseiten bestimmt immer noch eineinhalb Meter breit. Jeanne fuhr mit den Fingern über das glatte, polierte Holz, als ihre Augen die Truhe streiften, von der ihr Entführer wohl gesprochen hatte. Sie ging darauf zu und als sie sie öffnete, wehte ihr ein schwacher, orientalisch anmutender Geruch entgegen. Verwundert roch sie an dem Holz und stellte fest, dass der Geruch von ihm auszugehen schien und nicht von den Frauenkleidern, die dort gelagert wurden. Kopfschüttelnd roch sie noch mal daran. Sie mochte den Duft, obwohl sie noch nie zuvor von duftendem Holz gehört hatte. Dann widmete sie sich den Kleidern, die sich im Inneren der Truhe befanden. Sie alle hatten unterschiedliche Farben, Schnitte und Größen, so als ob sie nicht einer Frau, sondern Dutzenden gehörten. Ein leichter Schauder lief über Jeannes Rücken. Sie betrachtete die Kleider eingehend und stellte fest, dass alle von ihnen neu und ungetragen schienen. Warum hatte ein Mann eine Truhe mit Frauenkleidern unterschiedlichster Größen in seinem Hause? Oder ob diese Truhe vielleicht irgendwelchen Dienstboten gehörte?
Jeanne fand keine wirkliche Antwort.
Als ihr Blick auf den Kamin fiel und sie die dort bereitgelegte Seife und Laken entdeckte, besann sie sich auf den eigentlichen Grund ihres Anwesenheit hier. Sie erwärmte sich Wasser in einem Kessel über dem Feuer, zog ihr verschmutztes Kleid aus und wusch sich dann mit der leicht nach Rosen duftenden Seife. Zum Schluss tauchte sie ihr langes Haar in den Eimer mit dem seifigen Wasser, wusch den Dreck heraus und kämmte dann die nassen Strähnen mit den Fingern glatt. Schließlich ging sie wieder hinüber zu der Truhe. Die allermeisten der Kleider waren ihr
Weitere Kostenlose Bücher