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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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hilft bei Magenerkrankungen und steigert die Abwehrkräfte des Körpers.«
    »Mag ja sein, dass der Enzian das tut«, sagte Fanni, und obwohl sie insgeheim zugeben musste, dass sie sich während der paar Semester ihres Biologiestudiums weder für Botanik im Allgemeinen noch für Heilpflanzen im Besonderen interessiert hatte, fuhr sie fort: »Aber das Kraut hier vermag gar nichts. Es handelt sich eindeutig um Taubnessel. Und ich kann es auch beweisen. Dieses Unkraut wächst nämlich in Massen um meinen Komposthaufen herum. Doc Haller hat dich an der Nase herumgeführt, Sprudel. Oder, was wahrscheinlicher ist, du hast die falsche Pflanze gepflückt.«
    »Hab ich nicht«, grummelte Sprudel, warf jedoch einen skeptischen Blick auf die lila Blüten.
    Der Marsch auf der Forststraße vom Albrechtschachten hinunter zog sich in die Länge. »Kam mir beim Aufstieg kürzer vor«, meinte Sprudel.
    Fanni nickte. »So geht es einem oft. Die letzten Meter des Rückwegs sträuben sich.«
    Irgendwann bogen sie dann doch um die allerletzte Kurve und erreichten die Brücke in der Grandelseige. »Von hier sind es bloß noch fünf Minuten bis zum Wirtshaus von Scheuereck, wenn wir flott laufen«, verkündete Fanni und legte sich ins Zeug.
     
    Gegen fünf Uhr erreichten sie den beim Wildgehege geparkten Wagen, warfen die Rucksäcke in den Kofferraum und beschlossen, die Rehböcke nebenan keines weiteren Blickes zu würdigen und lieber sofort nach Zwiesel zurückzufahren. Eine halbe Stunde später betraten sie das Hotel Zur Waldbahn.
    »Abendessen um sieben?«, fragte Fanni. »Damit du dich nach dem Duschen noch ein halbes Stündchen aufs Ohr legen kannst.«
    »Nicht nötig«, prahlte Sprudel und sprang die Treppe hinauf.
    »Trotzdem«, sagte Fanni.
    Kurz nach sechs rief Leni auf Fannis Handy an. Fanni trug ihr Handy – wie sie es sich in der Kapelle am Finkenschlag geschworen hatte – neuerdings fast immer bei sich. Es ruhte, durch einen Reißverschluss vor dem Herausfallen gesichert, in einer Innentasche ihrer Jacke.
    Leni war, wie geplant, in Nürnberg und erledigte ihre Arbeiten im Labor. Sie käme gut damit voran, erzählte sie.
    »Ich könnte Papa auch schon am Freitag abholen«, sagte sie, nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, »aber damit würde ich dir und Sprudel wohl keinen Gefallen tun.«
    Fanni stimmte ihr zu, und Leni lachte. »Ich habe vorhin mit Vera telefoniert«, fuhr sie fort, »und die meinte, dass Papa in Klein Rohrheim inzwischen schier unabkömmlich ist. Sämtliche Vereine – Schützen-, Kegel- und Gartenbauverein – haben ihm bereits die Ehrenmitgliedschaft angetragen.«
    »Trifft sich sehr gut«, sagte Fanni trocken und spürte, wie Leni grinste.
    Fanni hatte tags zuvor selbst in Klein Rohrheim angerufen, war aber nach dem Vorwurf, er hätte es schon zweimal vergeblich zu Hause versucht, von Hans Rot recht wortkarg abgefertigt worden.
    »Denkst du, es könnte am Samstag schwierig werden, Papa loszueisen?«, fragte sie Leni.
    Leni verneinte. »Vera hörte sich ziemlich genervt an. Ich vermute, sie und Papa haben sich bis Samstag derart in der Wolle, dass er liebend gern abreist.«
    »Bekommt der arme Mann kein Müsli mit klein geschnittenem Obst zum Frühstück?«, erkundigte sich Fanni.
    »Nicht mal Milchkaffee«, sagte Leni, »und zum Mittagessen gibt’s Tütensuppe oder Tiefkühlpizza. Vera hat Wichtigeres zu tun, als Obst zu schnippeln und Gemüse zu putzen. Sie hat eine Tauschbörse für Kinderkleidung eingerichtet. ›Mein Kidcenter wird allen Bedürfnissen aller Kinder gerecht werden‹, hat sie verkündet.«
    Fanni seufzte und fragte nach Minna und Max. Soweit Leni wusste, ging es ihnen gut.
    »Max hat ja Erwin«, sagte Leni, »und Minna hat ihre Benjamin-Blümchen-Kassetten.« Sie machte eine kleine Pause und fragte dann: »Habt ihr Annabels Mörder schon dingfest gemacht, du und Sprudel?«
    »Wir stöbern immer noch zwischen Hasen und Rehen, Eichhörnchen und Auerhähnen, Bisamratten und Füchsen nach ihm – was weißt du über Typhus?«
    Leni sog scharf die Luft ein. »Noch ein totes Mädchen?«
    »Ein kranker Nationalparkranger«, antwortete Fanni.
    »Typhus«, sagte Leni, »wie soll sich der Ranger in unseren Breiten damit infiziert haben? Hat er in letzter Zeit eine Reise gemacht, nach Indien beispielsweise?«
    »Die vergangenen zwei Wochen hat er mit Sicherheit im Nationalpark Bayerischer Wald zugebracht«, antwortete Fanni, »und sämtliche Wochen davor vermutlich auch.« Sie hörte

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