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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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wackelte dabei unmissverständlich mit seinen schwarz glänzenden Stiefeln – die beiden jungen Frauen sollten sie ihm ausziehen. Sie taten es und entkleideten danach Albrecht vollständig. Marlene verschwand kurz im Bad und kam mit einer Schüssel heißen Wassers und einem Schwamm zurück. Sie wuschen ihn gemeinsam mit langsamen, lockenden Bewegungen. Albrecht küsste dabei jeden Flecken nackter Haut, der sich ihm bot, und seine Liebkosungen wurden rasch kühner.
    Bald waren sie nur noch ein wilder Knäuel stöhnender, ineinander verschlungener Körper. Im Gegensatz zu Albrecht und Deborah genoss Marlene die wechselseitig ausgetauschten Bisse und Grobheiten nicht, teilte dafür aber nicht weniger aus. Was für Albrecht ein Akt purer Leidenschaft war, verlangte Marlene alles ab, um ihre Abneigung zu überwinden und ihren Hass zu zügeln.
     
    * * * * *
     
    Marlene lag eng am Bettrand und verzog das Gesicht zu einer angeekelten Grimasse. Ihre letzte Ménage à trois war vor über zwei Jahren gewesen. Damals hatte sie es aus Liebe getan, für Jakob. Wegen Jakob hatte sie sich auch dem polnischen Widerstand angeschlossen. Er war einer ihrer Anführer. Sie und Jakob waren einmal ein Paar gewesen, aber das war lange her und noch vor dem Krieg. Er hatte ihr einst gesagt, dass er sie liebe, und trotzdem hatte er sie verlassen. Sentimentale Bindungen im Krieg würden ihre Sache nur behindern , hatte er behauptet. Seither sahen sie sich nur noch sporadisch. Jakob benutzte sie und ihren Körper ab und zu wie ein gutes Essen. Weil sie ihn immer noch liebte, gab sie sich damit zufrieden. Der Krieg würde nicht ewig dauern und sie hatte sich fest vorgenommen, ihn zu überleben. Jakob hatte sie am Anfang gefragt, wie weit sie gehen würde, um die Nazis aus dem Land zu jagen, und sie hatte ohne zu zögern geantwortet: „Bis zum Ende.“ Na, wenn das nicht gerade der schlagende Beweis dafür gewesen ist , dachte sie grimmig. Sie wünschte sich sehnsüchtig in die Badewanne zurück, um den widerlichen Nazigestank von sich abzuwaschen, und unterdrückte ein Schaudern.
    Albrecht wälzte sich im Halbschlaf schwerfällig zu ihr herum. Er packte Marlene um die Taille und zog sie mit festem Griff an sich. Er wirkte satt und zufrieden. Sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck erinnerte Marlene fatal an den alten, fetten Kater ihrer Kindheit, der eines Tages und mehr aus Versehen noch einmal eine Maus gefangen hatte.
    Trotz ihres Ekels und des drängenden Wunsches, aus dem Bett zu springen und sich zu waschen, zwang sich Marlene, ruhig liegen zu bleiben. Hasserfüllt starrte sie dabei an die Decke, während das Böse ruhig neben ihr auf den seidenen Laken schlief. Sie konnte es einfach nicht verstehen. Europa brannte und jene, die dafür verantwortlich waren, gaben sich ihrem entspannten Schlaf hin.
    Während sie seinen regelmäßigen Atemzügen lauschte, fragte sie sich, wie es jetzt weitergehen würde. Normalerweise durchdachte sie ihr Vorgehen und die möglichen Konsequenzen und legte sich dann einen genauen Ablaufplan zurecht.
    Heute aber hatte sich die Situation rasend schnell entwickelt und sie war gezwungen gewesen, aus der unmittelbaren Gefahr heraus zu handeln. Alles hing nun von Deborah ab. Marlene spürte, dass das Mädchen ebenso wach wie sie im Bett lag. Worüber dachte sie nach? Dass es ein Fehler gewesen war, sich auf Marlenes Spiel einzulassen?
    Marlenes Herzschlag beschleunigte sich zunehmend, je länger die Stille andauerte. Hatte sie sich in ihrer Einschätzung des Mädchens geirrt? Immerhin war sie von Deborahs animalischen Instinkten beim Liebesspiel völlig überfahren worden. Das junge Mädchen hatte die Maßlosigkeit einer erfahrenen Kurtisane an den Tag gelegt. Und was sollte dieses Beißen und Kratzen? Marlene wusste, dass nicht wenige Männer im Bett ihre sadistischen und masochistischen Gefühle auslebten, aber bei Deborah empfand sie es als verstörend. Zwar hatte sie bereits geahnt, dass das Mädchen von einem maßlosen Lebenshunger angetrieben wurde, doch die primitive, instinktgetriebene Leidenschaft, die sich ihr heute seitens Deborah offenbart hatte, hatte sie trotzdem verblüfft. Nie zuvor war ihr Ähnliches bei einem so jungen Menschen begegnet.
    Darüber hinaus hatte Marlene gestern Abend noch einen weiteren, wichtigen Eindruck von Deborah gewonnen: Sie schien durchaus ihren eigenen Kopf zu besitzen und ihn auch dann und wann einzusetzen. So hatte sie sich nicht dem herrschenden Gruppenzwang ergeben,

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