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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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der Gruppe zugeteilt bekam. Wenn Deborah versagte, würde sie nur Marlene mit sich reißen. Selbst Marlene kannte außer Jakob nur wenige aus der Gruppe und auch die nur unter falschem Namen. Nur bei Jakob konnte sie sich sicher sein, dass er auch Jakob war.
    Deborah hörte Marlene aufmerksam zu und stellte auch einige Fragen, die Marlene umsichtig beantwortete, ohne jedoch ihre Grundsätze der Verschwiegenheit zu verletzen. Dabei konnte sie nicht umhin, sich selbst zu beglückwünschen. Deborah erwies sich als eine gelehrige Schülerin, verfügte über eine rasche Auffassungsgabe und stellte die richtigen Fragen. Deborahs nächste Frage allerdings traf sie völlig unvorbereitet und löste sofort Unbehagen in ihr aus: „Bist du in diesen Pavel verliebt?“
    Und als Marlene nicht sofort antwortete: „Ach komm schon, ich habe dich genau beobachtet, als du über ihn gesprochen hast. So siehst du nicht aus, wenn du über Ernst sprichst“, verkündete sie triumphierend.
    Marlene zwang sich zu einem flüchtigen Lächeln und verfluchte für den Moment die erstaunlich gute Beobachtungsgabe des Mädchens. Sie entschied sich für die halbe Wahrheit: „Früher einmal. Aber das ist lange her. Jetzt sind wir nur noch gute Freunde.“ Jakob - für ihn schlief sie mit hohen Nazitieren, durchwühlte ihre Taschen und Gepäck und horchte sie aus. Sie hätte alles für ihn getan. Und manchmal hasste sie ihn dafür, weil er es zuließ.
    Deborahs nächster Satz riss Marlene aus ihren Grübeleien: „Ich würde diesen Pavel gerne kennenlernen. Wie ist er so? Sieht er gut aus?“
    „Sag mal, hast du mir gerade nicht richtig zugehört?“, schnaubte Marlene empört. „Niemand, wirklich niemand hat Kontakt zu anderen aus der Gruppe. Ich bin und werde dein einziger Ansprechpartner sein. Es dient zu unser aller Schutz. Und hör auf, Pavel zu verklären, als wäre er ein romantischer Held. Ich weiß, du bist erst siebzehn, aber jetzt ist nicht die Zeit für Schwärmereien. Überleg es dir gut, ob du das wirklich machen willst. Du riskierst beim kleinsten Fehler dein Leben. Dann wird man dich einsperren, schlagen und so lange foltern, bis du alles preisgibst, was du weißt. Noch kannst du aussteigen. Du hast nichts getan. Ich verschwinde dann sofort aus deinem Leben.“ Marlene erhob sich halb von der Bank, als wollte sie ihre Ankündigung sogleich umsetzen.
    „Warum regst du dich so auf? Ich habe ja nur gefragt. Außerdem werde ich in wenigen Wochen achtzehn.“ Deborah schmollte wie ein Kätzchen und sah plötzlich so jung aus, dass Marlene erneut Zweifel überkamen, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, Deborah anzuwerben. Das Risiko erschien ihr plötzlich unverhältnismäßig hoch. Das Mädchen hatte sicherlich beste Anlagen, war aber auch sehr unausgeglichen und sprunghaft.
    Dann seufzte sie ergeben. Es war zu spät für Bedenken. Alles, was sie tun konnte, war Deborah fest an die Hand zu nehmen und das Beste zu hoffen. Der Krieg ging in eine entscheidende Phase. Marlene wusste, dass sie viel zu wenige waren und kaum Möglichkeiten hatten.
    Schon vor dem Krieg gab es eine antisemitische Bewegung in Polen und manche Polen kollaborierten mit den Deutschen und tolerierten, was mit den Juden geschah. Die wenigen Stimmen der Vernunft waren verstummt, die gesamte geistige Elite von Krakau war längst geflohen oder aber von den Nazis ermordet worden. Schon im November 1939 hatte man alle Professoren der berühmten, im 14. Jahrhundert gegründeten Jagiellonen-Universität, eine der ältesten Europas, zusammengetrieben und ermordet.
    Ihre Widerstandsgruppe war klein, verfügte über wenig Unterstützung und hatte vor allem kein Geld. Und kein Geld bedeutete keine Waffen. Daher war jede noch so kleine Information über ihre Feinde so wichtig. Wichtiger als ihr Leben und das Leben von Deborah. Aber das sprach Marlene nicht laut aus. Im Grunde hatte sie immer noch Angst, dass Deborah einen Rückzieher machen könnte. Laut Jakob war Albrecht Brunnmann ein wichtiger Faktor in diesem Krieg. Jakob hatte aus verschiedenen anderen Quellen bereits einiges über Brunnmann in Erfahrung bringen können. Wenn nur ein Teil davon stimmte, kam Deborahs Freund eine wichtige Schlüsselrolle im zweiten großen Krieg der Nazis zu: Der Vernichtung alles jüdischen Lebens und ihrer Kultur in Europa.
    Das war mit ein Grund, warum sie sich der jüdischen Kampforganisation Zydowska Organizacja Bojowa, kurz ZOB, angeschlossen hatte. Sie war Halbjüdin. Marlene

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