Honigtot (German Edition)
geschmuggelten Waffen und Lebensmittel ins Ghetto geschafft werden. Und er musste sich nach einem neuen Versteck für Jan und Josef umsehen. Die tschechoslowakische Exil-Regierung unter Bene š in London plante in Krakau einen großen Schlag gegen eine Nazi-Größe. Jakob ahnte, um wen es hierbei ging. Die beiden polnischen Soldaten hatten sich freiwillig dafür gemeldet und waren schon Ende 1941 mit dem Fallschirm über Böhmen abgesprungen und hatten sich bis zu ihm durchgeschlagen.
Am Abend stand ihm dann noch ein anstrengendes Treffen mit Vertretern der polnischen Partisanen bevor. Seit Monaten bemühte er sich, die Aktionen des jüdischen und polnischen Widerstands zu koordinieren, um ihre Schlagkraft zu erhöhen. Aber beide Gruppen sträubten sich bisher hartnäckig. Sie verstanden einfach nicht, dass sie den gemeinsamen Feind auch gemeinsam bekämpfen mussten. Alles zu seiner Zeit, dachte er und zwang sich, sich auf die Erfordernisse des Augenblicks zu konzentrieren. Er spürte Deborahs Enttäuschung, auch seine Lenden glühten. Entgegen seinem Willen sagte er: „Heute nicht. Komm morgen wieder. Um dieselbe Zeit. Allein. Und pass auf, dass dir niemand folgt. Geh jetzt.“ Er sah ihr nach und bereute in derselben Sekunde, dass er sie aufgefordert hatte, wiederzukommen.
Es war nicht recht. Er nahm sich deshalb vor, morgen nicht da zu sein.
Marlene wartete im Vorraum auf Deborah. Prüfend musterte sie deren Erscheinung und fand ihre schlimmste Befürchtung nicht bestätigt. Jakob hatte nicht mit Deborah geschlafen. Im Gegensatz zu ihr wirkte Deborah darüber nicht sehr zufrieden. Schweigend verließen sie die Schusterwerkstätte und schweigend erreichten sie zu Fuß das Hotel. Marlene war gezwungenermaßen mit ihr mitgekommen, weil sie noch die Einzelheiten der geplanten Aktion mit Albrecht besprechen mussten. Eigentlich hätte sie es vorgezogen, in ihr bescheidenes Logis am Rande der Altstadt in Stare Miasto zurückzukehren, um ihre Wunden zu lecken.
Ihr derzeitiger Geliebter Ernst konnte sich nicht wie Albrecht Brunnmann das beste Hotel am Platze leisten und hatte sie daher dauerhaft in einer kleinen, aber gemütlichen Pension untergebracht.
Im Hotel erwartete Deborah eine schriftliche Nachricht von Albrecht. Osman überbrachte sie ihr.
Der Obersturmbannführer Brunnmann war zu einer fünftägigen Inspektionsreise aufgebrochen, aber er ließ ihr Osman zu ihrer Verfügung da. Deborah gab Osman zu verstehen, dass sie ihn rufen würde, wenn sie ihn brauchte, aber heute sicher nicht mehr. Erleichtert ging er davon. Nach wie vor mied Osman den Augenkontakt mit ihr.
Die Besprechung mit Marlene dauerte kaum eine Stunde - obwohl sie jetzt fünf Tage Zeit dafür gehabt hätten. Beide Frauen gingen behutsam miteinander um und mieden das Thema Jakob. Marlene wollte ihre Eifersucht verbergen, und Deborah ihre Ungeduld, mit der sie dem Wiedersehen am nächsten Tag mit Jakob entgegenfieberte, der für sie Pavel war.
Marlene verabschiedete sich mit dem Hinweis, dass sie sich zu gegebener Zeit wieder bei ihr melden würde.
Deborahs Herz raste, als sie sich am nächsten Tag auf den Weg zu Jakob machte. Das laue Frühlingswetter war einem Dauerregen gewichen und sie hatte ihren Schirm vergessen. Sie bemerkte es nicht einmal.
Sie nahm dieselbe Strecke wie gestern, betrat wie Marlene die Boutique, verließ sie durch die Hintertür, achtete auf etwaige Verfolger und stand mit weichen Knien vor dem Eingang zur Schusterwerkstätte. Niemand war ihr gefolgt, sie war sich dessen sicher. Sie wollte eben anklopfen, als die Tür sich öffnete, ein kräftiger Arm sie packte und rasch hineinzog. Starke Arme hoben sie auf und trugen sie durch mehrere dunkle Flure und Treppen hoch in eine kleine Kammer, in der nicht mehr als ein Bett, ein kleiner Tisch und ein Stuhl Platz hatten. Durch die geschlossenen Läden sickerte spärliches Licht herein. Der Mann legte Deborah wortlos auf das Bett, entkleidete zuerst sich und dann sie.
Dann erst entzündete er mehrere Kerzen in einem Leuchter auf dem Tisch und betrachtete Deborahs Körper. Das junge Mädchen bot sich seinen Blicken ohne Scheu dar. Jakob ergab sich. Viel zu lange balancierte er schon auf der schmalen Scheide zwischen Leben und Tod und noch einmal wollte er vorher vom Paradies kosten.
Was danach folgte, waren fünf unwirkliche und rauschhafte Tage, in der sie die Realität aussperrten und aus der Zeit fielen. Sie trotzten dem Schicksal nur wenige Stunden ab, die ihnen
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