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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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ganze Schuld auf dich nehmen lassen!“ Deborah wirkte erregt.
    „Schhh“, machte Marlene. „Nicht so laut. Das hat nichts mit Feigheit zu tun, Chérie“, sagte sie sanft. „Im Gegenteil. Ich verlange sehr viel Mut von dir. Es ist wichtig, dass du dich gegenüber Albrecht weiterhin ganz normal benimmst. Aber sei auf der Hut! Wenn sich die Lage etwas beruhigt hat, dann musst du es noch einmal versuchen. Geh zu Pavel“, flüsterte sie weiter. „Er wird dir eine neue Kamera besorgen.“ Erschöpft hielt Marlene inne.
    Deborah staunte über ihren ungebrochenen Willen. Ihre Freundin lag mit zerschmetterten Gliedern im Bett, ungewiss darüber, ob sie je wieder würde laufen können, und plante bereits die nächste Aktion.
    „Du bist unglaublich. Weißt du das?“
    „Das hilft mir zwar jetzt auch nicht, aber trotzdem, merci. Geh jetzt zurück und komm morgen früh wieder. Ich muss jetzt schlafen.“
     
    * * * * *
     
    Mitten in der Nacht erwachte Deborah aus unruhigem Halbschlaf. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Jemand hatte die Tür geöffnet und wieder geschlossen. Im Zimmer herrschte stockfinstere Nacht, kein Licht brannte. Die Schwester hatte die Vorhänge am Abend zugezogen, um auch noch das letzte Mondlicht auszusperren. Deborah konnte absolut nichts erkennen, aber sie fühlte deutlich die Präsenz eines anderen menschlichen Wesens im Raum.
    „Wer ist da?“, rief sie. Eine große schwere Hand legte sich jäh auf ihren Mund. Sie erkannte sie sofort an ihrem vertrauten Geruch nach Leder. „Jakob“, flüsterte sie erleichtert. „Du bist gekommen.“ Er nahm ihre Hand und küsste sie zärtlich. „Wie geht es dir, meine Kleine?“
    „Gut, aber Marlene ... es ist schrecklich, sie …“ Ihre Stimme stockte und sie musste die aufsteigenden Tränen gewaltsam zurückdrängen. Keinesfalls wollte sie vor Jakob weinen, selbst wenn er es im Dunkel der Nacht gar nicht hätte sehen können.
    „Ich weiß“, sagte er und strich ihr eine lange dunkle Strähne aus dem Gesicht. Seine Geste barg so viel mehr Zärtlichkeit in sich als Albrechts ähnliche Geste am Morgen.
    „Wir hatten es geschafft, Jakob. Marlene hat alles fotografiert. Ich hatte sie bei mir in der Handtasche. Und dann ist das Café in die Luft geflogen und meine Tasche und die Filme sind jetzt weg“, sprudelte sie leise hervor.
    Wieder antwortete Jakob nur: „Ich weiß.“
    „Es war alles umsonst und Marlene …“ Sie hielt inne. Hatte sie ihn gerade richtig verstanden? „Wie …? Du weißt es? Hast du Marlene schon gesprochen?“
    „Nein. Zu viele Augen und Ohren. Osman hat mich informiert.“
    „Osman?“ Deborah glaubte, sich verhört zu haben und wiederholte deshalb: „Albrechts Osman?“
    „Genau der. Er hat mir die Kamera und die beiden Filme gebracht. Sorge dich nicht“, sagte Jakob beruhigend. Dabei war er innerlich gar nicht ruhig, sondern bebte vor aufgestautem Zorn. Dieser verdammte Zlatko! Der Anschlag der ZOB auf das Cyganeria war erst für morgen geplant gewesen. So hatte er auch Marlene informiert gehabt, damit sie sich an diesem Tag vom Café fernhielt. Aber Zlatko hatte die Nerven verloren und auf eigene Faust gehandelt. Nur deshalb hatte es Marlene und Deborah erwischt.
    „Wie … Aber ich verstehe nicht …?“, stotterte Deborah jetzt.
    „Osman ist dir zum Café gefolgt. Brunnmann hatte ihn beauftragt, dich zu überwachen. Er war darum einer der ersten Helfer vor Ort. Er war es, der Marlene und dich gefunden hat. In dem ganzen Chaos gelang es ihm, die Kamera und den Film aus deiner Tasche zu entwenden und zu mir zu bringen.“
    „Aber woher wusste er, wo er dich findet?“
    „Das habe ich dir doch gerade erklärt. Er hat dich in Brunnmanns Auftrag überwacht. Offensichtlich hasst er aber seinen Arbeitgeber und hat eine besondere Schwäche für dich. Er hat Brunnmann nichts von uns erzählt. Dazu kommt sein Erlebnis, als man ihn irrtümlich für einen Juden hielt, obwohl er ein Muselmane ist. Ihn öffentlich zu entblößen, ist die schlimmste Demütigung, die man einem Mann seines Volkes zufügen kann. Die Nazis haben ihn sich dadurch unwiderruflich zum Feind gemacht.“
    Na so was , dachte Deborah. Osman? Sie versuchte sich zu erinnern, womit sie Osmans Sympathie errungen haben könnte. Im Grunde hatte sie ihn kaum je wahrgenommen. Ein oder zweimal hatte sie ihn dabei ertappt, wie er sie mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen angesehen hatte. Sie hatte sich keinen Reim darauf machen können und es rasch

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