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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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Schitler war bis zu Heydrichs Ermordung in Krakau dessen Adjutant gewesen. Er war noch jung, keine dreißig. Er hatte ihn übernommen, weil er über gute Kenntnisse der Strukturen des RSHA verfügte, die Heydrich geschaffen hatte.
    Kaltenbrunner ließ sich die Nachricht durch den Kopf gehen. Er wusste, dass die ekelhaften Gerüchte über Greiffs sexuelle Vorlieben stimmten. Er hatte die entsprechenden Notizen seines Vorgängers bei der Büroübernahme vorgefunden. Gleichzeitig hatte Heydrich Greiff stets als seinen besten Spürhund bezeichnet und sich vor ihn gestellt. Es stimmte, niemand konnte eine höhere Erfolgsquote vorweisen als dieser Greiff. Aber es war auch hinreichend bekannt, dass Greiffs Grausamkeiten das übliche Maß überschritten hatten. Der Mann scheute nicht davor zurück, sich selbst die Finger schmutzig zu machen. Und nun war er tot. Ermordet wie sein früherer Chef Heydrich.
    Kaltenbrunner unterdrückte einen Unmutslaut. Vermutlich würde die Liste der Verdächtigen genauso dick sein wie das Berliner Telefonbuch. Wirklich eine verdammte Sauerei. Der Führer, mit dem er eng befreundet war und den er als einer der wenigen in dessen Umfeld duzte, würde zu Recht wegen dieser infamen Geschichte toben. Als ob er nicht schon genug Sorgen am Hals hätte. Eben hatte er einen Bericht studiert, der sich diplomatisch um die Aussage herumdrückte, dass die Ressourcen für die Endlösung zur Neige gingen. Und sein Amt sollte es richten. Er sollte es richten …
    „Was wissen Sie noch? Handelt es sich eventuell um …“, Kaltenbrunner räusperte sich, bevor er weitersprach, „um eine Beziehungstat?“ Persönlich wäre ihm das am liebsten. Dann könnte der Fall vermutlich schnell abgeschlossen werden, bevor er ihm um die Ohren flog.
    „Dazu wissen wir noch zu wenig. Die ersten Erkenntnisse sind schwer zu deuten.“ Der Adjutant machte eine kurze Pause, schluckte und fuhr fort. „Nach Auskunft des Polizeiarztes wurde dem zweiten Ermordeten die Kehle sauber durchgeschnitten, während der Sturmbannführer Greiff stundenlang gefoltert worden zu sein scheint.“
    „Gefoltert, Greiff? Wie?“ Kaltenbrunners Stirn hatte sich noch mehr umwölkt. Der Henker war also selbst gehenkt worden.
    „Ihm wurde das verbliebene Auge ausgestochen, Hoden und Penis abgetrennt und in den Mund gestopft“, stieß Schitler hervor. „Der Arzt meinte überdies, dass der Sturmbannführer Greiff vermutlich daran erstickt sein könnte. Mehr nach der Untersuchung.“
    Kaltenbrunner sank auf seinen Stuhl zurück. „Sorgen Sie dafür, Schitler, dass nichts über die Umstände der Ermordung des Sturmbannführers bekannt wird. Wir müssen den Schein wahren. Hiermit ordne ich absolute Geheimhaltung an.“
    „Das ist bereits geschehen, SS-Obergruppenführer.“
    „Gut, halten Sie mich auf dem Laufenden. Ich erwarte heute Abend, noch vor meinem Essen mit dem Führer, einen ausführlichen Bericht auf meinem Schreibtisch.“
    Damit war Schitler entlassen. Er nahm Haltung an, salutierte „Heil Hitler“ und verließ das Büro.
    Grußlos passierte er die Damen im Vorzimmer Kaltenbrunners, die ihm verwundert nachsahen. In seinem Büro angekommen, schnauzte er sein eigenes Vorzimmer an, dass er keine Störung wünsche und verschanzte sich hinter seinem Schreibtisch.
    Dort fasste er sich an sein Herz. Es raste. Gleichzeitig konnte er in der Brusttasche den Umschlag fühlen, den ihm ein Laufbursche kurz vor seinem Treffen mit seinem Chef Kaltenbrunner zugestellt hatte. Er stammte von seiner jungen Geliebten Greta und enthielt eine Fotografie. Greta trug darauf nichts weiter als seine, Schitlers, Uniformmütze, und salutierte vor ihm. Er selbst lag nackt im Bett und prostete ihr mit einem Glas Champagner zu. Er erinnerte sich vage daran, dass er zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich betrunken gewesen war.
    Auf der Rückseite war ihre Forderung zu lesen. Greta verlangte zwei Pässe, ausgestellt auf zwei Frauennamen, dazu Papiere für einen zehnjährigen Jungen. Natürlich Juden. Genauso wie Arthur Schitler die Forderung zu schaffen machte, beschäftigte ihn der Gedanke, wer die Fotografie gemacht haben könnte, und vor allem, dass es diesen Komplizen gab - einen Mitwisser! Dadurch waren ihm die Hände gebunden. Der Betreffende musste sich im Hotelzimmer versteckt gehalten haben, der Perspektive nach im Schrank.
    Doch am Schlimmsten wog für ihn seine eigene Dummheit. Er musste verrückt gewesen sein, sich auf diese Frau einzulassen! Er hatte schon

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