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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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Gustav, der ihr aus einem langen Korridor aus Licht entgegenkam. Aber als er dann direkt vor ihr stand, war es nicht ihr Gustav, sondern Albrecht Brunnmann. Und dort, wo sich seine Augen hätten befinden müssen, klafften zwei tiefe, schwarze Löcher.
    Mit einem angstvollen Schrei erwachte Elisabeth, am ganzen Körper zitternd.
     
    Mr Lochner wurde ihr in diesen furchtbaren Tagen zu einem echten Freund. Er entfaltete eigene Umtriebe und kontaktierte befreundete Journalisten im ganzen Reich, die alle samt und sonders versprachen, Augen und Ohren offenzuhalten und Nachforschungen auf der Fahrtroute der Kinder und der von Gustav Berchinger anzustellen.
    Doch alle Bemühungen verliefen im Sande der kraftvollen Nazimühlen. Erst später sollte Elisabeth begreifen, dass ihr hier die effektivste, die einzige und wahre Wunderwaffe des Nazi-Regimes begegnet war, die jemals von diesen ins Feld geschickt worden war: Die Fähigkeit, Menschen mit Stumpf und Stiel zu verschlingen und sie in den Niederungen des Bösen auf immer verschwinden zu lassen.
     
    * * * * *
     
    Die kaum genesene Elisabeth war bald am Ende ihrer körperlichen und mentalen Kräfte angelangt. Trotzdem raffte sie sich immer wieder mit der Energie einer Mutter auf, wälzte ununterbrochen neue Ideen und Überlegungen und hatte sogar eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgegeben. Für den folgenden Tag plante sie in der Stadt einen Wagen samt Chauffeur anzumieten und die Bahnstrecke ihrer Kinder bis zur deutsch-französischen Grenze zurückzuverfolgen. Sie würde auf jedem Bahnhof die Schaffner befragen und ihnen die Bilder der Verschwundenen zeigen.
    Mr Lochner stattete ihr am Abend zuvor - dem zweiten Tag seit dem Verschwinden ihrer Kinder, dem fünften seit Gustavs -, einen weiteren Besuch ab.
    Der Anblick ihrer zarten blassen Gestalt rührte ihn. Er hatte Elisabeth gerade dazu überreden können, wenigstens eine Tasse Tee und ein paar Löffel einer leichten Consommé zu sich zu nehmen, als es energisch an der Tür klopfte. Ohne die Antwort abzuwarten, wurde diese dann aufgerissen und Elisabeth wurde sofort von einem Bündel von Armen und Beinen überrannt.
    Dies war nach den Strapazen der letzten Tage zu viel für die Arme: Sie tauchte in eine jähe Schwärze ab und versetzte damit Anwesende wie Neuankömmlinge einen heftigen Schrecken.
    Als sie langsam wieder zu sich kam, spürte sie etwas Feuchtes auf ihrer Stirn, was sich als ein Waschlappen herausstellte, etwas Schweres auf ihren Beinen, das sich als Dackel entpuppte, und als sie vorsichtig mit den Augen blinzelte - aus Furcht, ihre Freude nur im Traum erlebt zu haben -, entdeckte sie neben sich die verängstigten, aber erwartungsvoll gespannten Mienen ihrer Kinder. Fast wäre sie nochmals vor Schwindel umgefallen, wenn sie nicht schon gelegen hätte.
    Das war vielleicht ein Jubel und Mr Lochner - mit neuem Hut - grinste dazu wie ein Honigkuchenpferd. Der mit den Kindern eingetroffene Albrecht Brunnmann hielt sich bei der anrührenden Wiedersehensfeier bescheiden im Hintergrund.
    So völlig vom Rausch der Freude übermannt, brauchte es einige Zeit, bis sich Elisabeth soweit gefangen hatte, dass sie die Anwesenheit von Herrn Brunnmann überhaupt wahrnahm. Auch sprudelten die Kinder, vor allem der kleine Wolfgang, vor Worten und Tränen über. Doch da war etwas in den Augen ihrer Tochter Deborah, eine Klage, die wie ein andauernder Schrecken wirkte.
    Da begriff Elisabeth, was nicht recht und vollkommen war, warum Deborah in der Freude zögerte: „Aber was ist denn mit unserer Magda, der jungen Gouvernante meiner Kinder? Wo ist sie? Ist sie nicht hier?“
    Und alle im Raum, einschließlich der Dackeldame Biene, wandten ihre Köpfe wie in einer einstudierten Synchronisation Herrn Brunnmann zu. Er kam dieser stummen Aufforderung nach, als hätte er bereits auf seinen Einsatz gewartet: „Ihre Gouvernante befindet sich noch im Gewahrsam der Polizei in Stuttgart, gnädige Frau. Man hat sie irrtümlich für eine Diebin gehalten, da bei ihr eine Menge wertvoller Schmuck gefunden wurde. Leider, meine Bemühungen um ihre Freilassung dauern noch an.“
    „Aber um Himmels willen, was ist das für eine verrückte Geschichte? Magda ist doch keine Diebin! Bei dem Schmuck handelt es sich selbstverständlich um den meinen. Ich persönlich habe ihn Magda anvertraut. Sie ist unschuldig und muss sofort freigelassen werden.“
    „Natürlich, Frau Malpran, und ich bin auch sehr zuversichtlich, aber es braucht wohl

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