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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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ansonsten grundverschieden. Denn im Gegensatz zu seinem ernsten und auf sein Äußeres bedachten Bruder lachte Leopold gerne und war auch ziemlich nachlässig in Kleiderfragen, was oft Anlass zu Scherzen gab.
    Leopold avancierte schnell zu Deborahs liebstem Gesprächspartner. In der Art, wie er sein Wissen vermittelte und erzählte, erinnerte er sie an ihren Vater Gustav. Deborah fand bald heraus, dass man ihn tatsächlich alles fragen konnte, auch über Gott. Leopold nahm nie eine Frage krumm.
    Er schien auch der Einzige zu sein, der es wagte, gegenüber seinem Bruder Albrecht einen neckenden Ton anzuschlagen, in dem sich - nur für feine Ohren wahrnehmbar - oft auch ein Tadel verbarg.
    In seiner Anwesenheit wirkte Herr Brunnmann denn auch immer etwas leidend. Elisabeth und Deborah staunten nach dem ersten längeren Besuch von Leopold - Herr Brunnmann war verreist - über die Ungleichheit der beiden Brüder. Herr Brunnmann war eine elegante Erscheinung und zeichnete sich durch Unnahbarkeit und Beherrschtheit aus. Onkel Poldi hingegen verfügte über ein sprühendes Mitteilungsbedürfnis und Mutterwitz.
    Elisabeth, die ihn von Anfang an mit Poldi ansprach, meinte nach einem Besuch Leopolds zu Deborah: „Na, so was. Was für ein munteres Exemplar Gottes! Hast du den kapitalen Fettfleck auf seinem Gewand bemerkt? Wer käme da je darauf, dass die beiden Brüder sind? Und was für liebe Augen der Poldi hat. Ich glaube, da mag man anstellen, was man will - der Poldi verzeiht einem das schon gleich im Voraus.“
    Leopold bescherte ihnen den ersten unbeschwerten Nachmittag am Prinzregentenplatz seit langem - beinahe wunderten sie sich selbst über ihre Heiterkeit.
    Deborah freute sich, ihre Mutter in solch fröhlicher Stimmung zu erleben.
     
    Deborah wagte es bald, den Priester auf die Gegensätzlichkeit der beiden Brüder anzusprechen, worauf Poldi meinte: “Dies, kleine Deborah, ist ein Geheimnis, das unsere Mutter mit zum Chor der Engelein genommen hat.“ Dann erzählte er ihr von seiner Mutter, sprach von ihrer Lebenslust und fröhlichen Art und dass sie eine talentierte Künstlerin gewesen wäre, eine Sängerin wie Deborahs Mutter, aber weniger zart und auch nur in kleinem Kreis bekannt - weil der Vater fand, dass das Singen kein richtiger Beruf wäre. Daher hätte sie nach der Heirat die Bühne verlassen und nur noch zum Hausgebrauch und für ihre Söhne gesungen. Er selbst käme in seinem Gemüt ganz nach der Mutter, singen aber könne er nicht, leider.
    Albrecht aber schlüge vom charakterlichen her sehr nach dem Vater, einem preußischen Offizier mit strammem Geist und vergangenen Ansichten. „Aber keine Angst, junges Fräulein! Ich bemühe mich nach Kräften meinen kleinen Herrn Bruder weiter zurechtzustutzen, damit er uns in seiner feschen Uniform nicht ganz abhebt.“
     
    Leopold wurde zu einer echten Bereicherung ihres Lebens. Auch das Wolferl hing bald an ihm, und anstatt Albrecht Brunnmann ersetzte nun Poldi den fehlenden Vater.
    Albrechts Bruder übernahm kurz darauf eine Kirchengemeinde in ihrer Nähe, denn, meinte er mit einem Zwinkern: „Man hat so seine Beziehungen.“
    Deborah besuchte regelmäßig seine Gottesdienste. Nicht weil sie plötzlich Gott für sich entdeckt hatte, sondern weil es so herrlich war, Onkel Leopold bei seinen Predigten zuzuhören.
    Er konnte zwar nicht singen - besaß dafür aber eine Stimme wie Blitz und Donner. Wie Ezechiel kam er über seine Gemeinde und scheute sich nicht, sie an ihre Christenpflichten zu erinnern, deren vorrangigsten die Nächstenliebe und die Barmherzigkeit waren.
    „Und ich sage Euch, erkennt das Unglück und das Leid der Anderen und lindert es!“ Dabei war Leopold klug genug, das Nazi-Regime niemals direkt anzugreifen.
     
    * * * * *
     
    Im Herbst 1941 erkrankte Elisabeth erneut und wieder lautete die Diagnose Lungenentzündung. Da Elisabeth die letzten zwei Jahre oft krank gewesen war und sich doch wieder erholt hatte, hoffte jeder der Bewohner am Prinzregentenplatz, dass sie auch diesmal wieder schnell genesen würde. Doch ihr Zustand wurde bald so besorgniserregend, dass Dr. Strelitz, der auf Anordnung von Herrn Brunnmann erneut nach München gekommen war, dazu riet, sie in ein Krankenhaus zu bringen. Doch Elisabeth wehrte sich in einem Aufflackern alter Energie vehement dagegen. Dr. Strelitz wertete es als gutes Zeichen und gab nach. Er kam jeden Tag, um nach ihr zu sehen.
    Deborah verbrachte in dieser Zeit viele Stunden am Krankenbett ihrer

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