Honigtot (German Edition)
Vorgesetzten geeignet´. Ich glaube, genau das waren die Worte. Dr. Forster hat übrigens 1934 auf Druck eurer Geheimen Staatspolizei Selbstmord begangen.“
Deborah sah, wie Albrecht das Gesicht verzog, als litte er Schmerzen. Er ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Aha, ich verstehe. Du denkst also, Maria, unser Führer könnte sich an dem Komitee der Kunstschule gerächt haben? Du unterstellst ihm Rachsucht? Muss ich daher annehmen, du denkst, unser Führer handelte billig?“ Albrecht hatte sich wieder gefangen, aber in seiner Stimme schwang etwas, das Deborah glauben ließ, dass er über ein geheimes Wissen verfügte. Sie vermutete, dass sie womöglich gerade des Pudels Kern getroffen hatte und das unglückliche Komitee keine guten Zeiten verlebt hatte.
Deborahs Stimmung schwang aber schon wieder um und ihr Kampfgeist erlosch so schnell, wie er aufgeflackert war. Plötzlich hatte sie keine Lust mehr, weiter wegen diesem grässlichen Hitler nachzubohren. Darum antwortete sie leichthin: „Ach nein, es hat mich nur so am Rande interessiert. Außerdem wolltest du es ja unbedingt wissen. Können wir ins Sacher fahren? Dort gibt es die besten Torten. Mir ist gerade danach.“
* * * * *
Deborahs Gedankengang verdient eine nähere Betrachtung, das heißt, eigentlich war es ihr Vater Gustav, der den Anstoß dazu gegeben hatte, denn er hatte als Erster, gemeinsam mit seinem Freund Fritz Gerlich, über die Begebenheit von Hitlers Scheitern in der Aufnahmeprüfung sinniert.
Selten hatte sich das Prinzip von Ursache und Wirkung in solch katastrophaler und folgenschwerer Weise auf die gesamte Weltgeschichte ausgewirkt: Weil mehrere Komitee-Mitglieder eines Kunstausschusses einem jungen Österreicher namens Adolf Hitler in den Jahren 1907 und 1908 mangelndes Talent bescheinigt, ihm die Aufnahme verweigert und somit seinen Lebenstraum vereitelt hatten, musste er in sein altes Leben zurückkehren.
Der junge Hitler verdingte sich zunächst mehr schlecht als recht als Postkarten- und Anzeigenmaler, die in einer Werbung für Fußschweißpuder gipfelte.
Bis er dann eines Tages eher zufällig sein Talent als demagogischer Redner entdeckte und sich seiner fatalen politischen Karriere zuwandte. Im Übrigen sandte er später seine Schergen aus, um einige seiner frühen Wiener Werke aufzuspüren und zu beschlagnahmen - für den Fall, dass sie ihm peinlich werden konnten …
Wie wäre das weitere Schicksal Europas verlaufen, wenn man Hitler an der Wiener Hochschule für bildende Künste angenommen hätte? Hätte es je einen Zweiten Weltkrieg und den Abwurf der ersten Atombombe gegeben? Wäre die Ausbreitung des Kommunismus weniger expansiv verlaufen wie auch der daraus resultierende Kalte Krieg? Wären Deutschland und Berlin je geteilt und die Mauer erbaut worden?
* * * * *
Deborah und Albrecht blieben zwei Wochen in Wien. Albrecht war viel beschäftigt, eilte zu Besprechungen und Konferenzen und kehrte meist erst spät am Abend ins Hotel zurück. Dann wurde er von der auf ihn ungeduldig wartenden Deborah hart gefordert.
So hatte es sich Albrecht selbst nicht ausgerechnet. Er benötigte dringend Ruhe und Schlaf nach den anstrengenden Tagen mit ermüdenden Sitzungen und langwierigen Entscheidungen.
In den Anfangswochen ihrer Beziehung zehrte er ausschließlich von seiner eigenen, unstillbaren Gier nach diesem außergewöhnlichen Geschöpf mit dem unersättlichen Körper. Er musste alle seine Reserven mobilisieren, während das Mädchen erblühte wie eine Pfingstrose im Frühling.
Und trotzdem konnte Albrecht nicht anders, es schien ihm unmöglich, ihr zu widerstehen, sogar in seinen Gedanken. Immer häufiger ertappte er sich während der Besprechungen dabei, wie er unaufmerksam wurde und die lauten Stimmen und Forderungen um ihn herum in den Hintergrund gedrängt wurden. Dann sehnte er sich danach, in ihre Arme zurückzukehren und ihren berauschenden Honigduft zu atmen. So sehr verlangte er nach ihr, dass er häufig nach seiner Aktentasche greifen musste und diese über seinen Schenkeln lagerte, um Augenscheinliches zu verbergen ...
Diese sonderbare Eigenart blieb auf Dauer den anderen Teilnehmern der Konferenzen nicht verborgen. Und weil Neugierde eine zwanghafte Eigenschaft der menschlichen Natur war, waren bald allerlei Gerüchte und Spekulationen über seine Tasche im Umlauf.
Was mochte sie Geheimnisvolles enthalten, das so wichtig war, dass Albrecht Brunnmann, Sonderbeauftragter des
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