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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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sie mit strahlendem Frühlingswetter.
    Die Stadt selbst war vollkommen in der Hand der nationalsozialistischen Folklore, aber Deborah gewöhnte sich bald wieder daran und nahm sie wie in München bald kaum mehr zur Kenntnis.
    Deborah kannte Wien noch von früher. Bevor ihr kleiner Bruder geboren wurde, hatte sie sie mit ihren Eltern einige Male besucht, zuletzt Anfang 1933. Die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten hatten bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen und sie konnte sich an vieles erinnern. Trotzdem ließ sie sich am zweiten Tag ihres Aufenthaltes willig von Albrecht umherkutschieren, um sich von ihm die Stadt zeigen zu lassen; sie lebte jetzt nur für die Nächte mit ihm.
    Ihr Geliebter schien sich in Wien hervorragend auszukennen. Auf ihre diesbezügliche Frage gab er immerhin so viel preis, dass er ab 1938 ein Jahr in Wien beruflich abgestellt gewesen war. Auf seine nähere Tätigkeit ging er aber nicht ein. Die Art und Weise, wie er das Thema wechselte, signalisierte Deborah, dass er dies auch nicht vorhatte. Seine ständige Geheimniskrämerei fing an, sie zu ärgern. Ihr Vater hatte sich nicht nur jeder ihrer Fragen gestellt, sondern sie immer dazu ermuntert, zu fragen.
    Als sie an der Wiener Hochschule für bildende Künste vorbeifuhren, fiel Deborah ein, wie ihr Vater sie ihr gezeigt und erzählt hatte, dass man den Hitler dort gleich zweimal durch die Aufnahmeprüfung hatte fallen lassen. Es mochte daran liegen, dass sie gerade an ihren Vater gedacht hatte - jedenfalls erwachte Deborah kurz aus ihrem Liebesrausch und verspürte Lust, Albrecht zu reizen. Es war die erste Kostprobe dessen, was Leopold seinem Bruder Albrecht als Deborahs klugen Geist mit harter Klinge prognostiziert hatte.
    „Das ist wirklich schade … findest du nicht auch, Albrecht?“
    „Was findest du schade, Maria?“, ging Albrecht willig darauf ein.
    „Dass euer Führer nicht etwas mehr Talent mitbekommen hat. Dann hätten wir jetzt vielleicht gar keinen Krieg. Wer weiß, vielleicht säße er dann gerade irgendwo friedlich vor seiner Staffelei und malte hübsche Bilder von den Sehenswürdigkeiten Wiens.“
    „Maria, mein Schatz, erstens ist er nun auch dein Führer und zweitens war das vielleicht genau die ihm bestimmte Vorsehung: dass er eben kein Künstler wurde, sondern dass sein Schicksal das des deutschen Volkes sein würde.“ Sein Ton barg keinen Tadel, vielmehr ähnelte er dem eines Lehrers, der milde versuchte, einem unwissenden Schüler etwas beizubringen. Weil er diesen überlegenen Ton schon bei anderen Gelegenheiten herausgekehrt hatte, reizte er Deborah erst recht damit.
    „Aha. Was ist eigentlich aus den Mitgliedern des Komitees geworden, das damals euren Führer abgelehnt hat?“ Deborah war jetzt hellwach, Albrechts Belehrung ignorierte sie.
    Albrecht wunderte sich über den Hintersinn in ihrer Frage, deshalb verzichtete er, sie erneut deswegen zu tadeln: „Wie ist das denn gemeint?“, fragte er gedehnt.
    Deborah freute sich diebisch, Albrechts Argwohn geweckt zu haben. Das neue Spiel fing an, ihr Spaß zu bereiten. „Ach, nur so eine Idee. Eigentlich bin ich nur darauf gekommen, weil mein Vater einmal diesen Dr. Forster erwähnt hat. Ich glaube, sie waren zusammen an der Front.“
    „So. Und wer bitte soll dieser Dr. Forster sein?“ Etwas in seiner Stimme warnte Deborah, dass sie besser auf ihre weiteren Worte achten sollte.
    „Möchtest du es denn wissen?“, reagierte sie deshalb mit einer Gegenfrage, nun doch etwas verunsichert. Sie hatte spontan gehandelt. Zu spät war ihr eingefallen, dass sie damit womöglich Albrechts Zorn auf ihren Vater lenken würde. An Konsequenzen für sich selbst dachte sie nicht. Sie hatte keine Angst vor Albrecht.
    „Nur zu! Ich würde wirklich allzu gerne hören, was in deinem kleinen Kopf vor sich geht.“ Es klang gönnerhaft und abwertend, als bräuchte es bei einer Frau keine Klugheiten.
    Damit forderte er erneut Deborahs Widerspruchsgeist heraus.
    „Wie du wünschst, mein Gebieter“, erwiderte sie schnippisch und erzählte ihm, was sie von ihrem Vater Gustav erfahren hatte: „ Euer Führer wurde 1918 mit Senfgas vergiftet und kam in ein Lazarett. Ich glaube, der Ort hieß Pasewalk. Dort wurde er dann von Dr. Forster behandelt. Weil aber Dr. Forster damals nicht ahnen konnte, dass er den künftigen Führer des Deutschen Reiches verunglimpfte, hat er in seiner Krankenakte vermerkt, dass er ein Psychopath wäre, `mit hysterischen Symptomen und nicht zum

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