Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)
meinen Vater verloren hatte, verlor ich auch mich. Ich glaubte an nichts mehr. Ich wollte nur noch zerstören. Zerstören und töten.«
»Ja, ich verstehe. Aber ich bin Pirat. Ich tu, was ich will. Ich lüge, betrüge und lass mich durch niemanden binden!« Will lief es eiskalt den Rücken hinab. »Loyalität und Pirat passen zueinander wie Schwarz und Weiß. Wie Tod und Leben. Da kannst du mich gleich nach da oben schicken, wo Gagga grade herkommt.«
Er sah auf den bedauernswerten Prinzen hinab.
»Glaubst du das wirklich?« Will drehte sich verblüfft zu Talleyrand um. Der lächelte wirklich. »Da kennst du dich schlecht. Du glaubst an die Freiheit. Das ist dein Traum. Und für diesen Traum bist du bereit zu sterben. Hast du die Rede vergessen, die du in Berlin unter dem Galgen gehalten hast?«
Er musterte Will.
»Aber das ist noch nicht alles. Das reicht noch nicht aus. Dafür wird niemand erwählt und erst recht nicht von denen. Siehst du ihre Augen? Los, schau sie dir an. Dann verstehst du, was sie von dir wollen, Will.« Er nahm seine Hand. »Will, deine Freiheit ist Liebe. Die Liebe zu Hannah und zu allen anderen Menschen. Und Liebe ist das, wovon die da träumen. Seit Jahrtausenden suchen sie nach nichts anderem. Nur deshalb sind sie auf unsere Erde gekommen. Sie halten das Leben ohne Liebe nicht aus. Sie wollen die Kälte und Grausamkeit aus ihren Augen vertreiben. Nur deshalb haben sie die Herzen gegessen. Zigtausende von Herzen, und das in der Hoffnung, dass sie sich dadurch verändern. Doch sie haben gelernt. Sie wissen, dass das der falsche Weg war. Und weil das so ist, sind sie jetzt deine Crew. So wie sie mich begleitet haben, um dich zu finden, zu prüfen, zu jagen, zu fangen und schließlich hierherzubringen. Sie sind deine Crew, falls du das fertigbringst, was keiner vor dir geschafft hat, Will: Du musst den Mondscheinflamingo finden und das Schiff, das einmal Chens Schiff gewesen ist, aus seinem Dornröschenschlaf befreien. Hörst du mich, Will. Ich rede vom Weltenwanderer. Dem Herrn der Gezeiten. Das Schiff gehört dir und mit ihm die treueste Mannschaft, die es je gab. Die treueste Mannschaft und der treueste Offizier, wenn du mich für wert hältst, dass ich dir diene.«
Talleyrand strahlte ihn an, und während Will versuchte, die Situation zu begreifen, erhoben sich die Fliegenden Krieger aus ihren Nestern und schauten ihn hoffnungs- und erwartungsvoll an. Sie standen auf, trugen ihre Flügel dabei feierlich wie Mäntel und warteten geduldig darauf, dass Will sich entschied.
Doch der sah nur Gagga vor seinen Füßen. Der Prinz stöhnte vor Schmerzen und winselte wie ein elender, geprügelter Hund. Will wurde heißkalt. War das eine Drohung? Hatte Talleyrand einst genauso gewinselt? Und würde man mit ihm dasselbe tun? Würde sein Stolz so eine Demütigung überleben? Oder war es viel demütigender, der Angst zu gehorchen, dass ihm so etwas nicht widerfuhr? So unsägliche Schmerzen? Nein, Will war kein Angsthase und deshalb hob er den Blick. Er schaute von einem Wesen zum anderen, die, wie er jetzt wusste, nicht von dieser Welt waren. Und er hörte noch einmal Talleyrands Worte:
»Ja, und Liebe ist das, wovon die da träumen. Seit Jahrtausenden suchen sie nach nichts anderem.«
Er schaute den Schwarzen Baron neben sich an, und der strahlte noch immer, so glücklich war er.
Ein Versprechen wird wahr
as Herz aus Gold lag nicht in der Karibik. Die Insel und auch ihre beiden kleineren Nachbarn hatten nichts mit Nassau oder der Insel des Vergessenen Volks gemeinsam. Es war nicht das unbekümmerte Paradies, das sich Hannah vorgestellt hatte. Die Insel war rau. Nicht so wie Rum Bottle Bottom, sondern eher so wie die Prärien im Herzen Amerikas, aus der Nats Crew, die Bisonjäger stammten. Grasland bedeckte den vulkanischen Kegel, der sich aus der Einsamkeit des atlantischen Ozeans erhob. Ein kräftiger Wind blies über die Hänge, als wollte er jeden Besucher vertreiben, und niemand, der mit Hannahs Fliegendem Rochen oder Nats Tatonka hierhergekommen war, verstand, dass Nat sie nach ihrer Ankunft hinauf zum Gipfel führte, wo das Grasland schroffem Felsen wich und der Wind noch kräftiger wurde. Doch Nat tat geheimnisvoll, und sein Lächeln, das ihnen eine Überraschung versprach, wurde zum breiten Grinsen, als sie den Rand des Kraters nahe dem Gipfel erreichten.
Unter ihnen öffnete sich ein wunderbares Tal. Alte, kräftige Eichen wuchsen in respektvollem Abstand zueinander auf den
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