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Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Titel: Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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dreimal ganz langsam drehte – dreimal sah er jeden an; er sah jedem ganz tief in die Augen –, suchte er sich einen aus. Einen, von dem er glaubte, dass er ihm am meisten vertrauen konnte. Dessen Augen erinnerten ihn an Jo, die Nase an Hannah – auch wenn er ihr das nie sagen durfte –, und dann musste er lächeln. Die Ohren des geflügelten Wesens standen so schief und schräg, dass Will unwillkürlich an Sarah und Rachel denken musste. Die Töchter von Finn hatten ihre abstehenden Ohren von ihrem Vater geerbt und vielleicht würden sie den dafür einmal hassen. Wenn sie groß waren und begannen, sich für Jungs zu interessieren. Doch jetzt in diesem Moment liebte Will diese Ohren. Sie waren das Schönste, was es auf dieser Welt gab. Sie machten den Höllenkrieger zum Menschen und retteten Will. Er ging zu dem Kerl und verbeugte sich vor ihm.
    »Wirst du mir vertrauen, wenn ich dir vertraue?«, fragte er ihn, und zum ersten Mal brachen die Wesen ihr Schweigen. Sie stießen glucksende Kehllaute aus. Wills neuer Freund trat einen Schritt vor und schälte sich aus seinen Flügeln. Als hätte er darauf gewartet, breitete er sie langsam aus und legte sie um den Piraten. Er wickelte ihn buchstäblich ein. Talleyrand staunte und Gagga erstarrte.
    »Bei den Söhnen der Hölle!«, flüsterte der Prinz mit vor Angst entstelltem Gesicht.
    Doch Will blieb ganz cool.
    »Du hast dich geirrt«, sagte er zum Schwarzen Baron. »Das ist keine Täuschung. Das Schiff da ist echt. Man muss nur zu ihm gelangen, ohne dabei zu verbrennen. Und das funktioniert nur, indem man ihnen vertraut. Sie können durchs Feuer schwimmen. Sie halten das aus.«
    Mit diesem Satz stemmte er sich nach hinten und stieß seinen neuen Freund über den Rand des Quarzbodens hinab in den Graben.
    »Wenn du jetzt die Flügel ausbreitest, bin ich verloren!«, rief er im Fallen und spürte die dreifingrigen Klauen auf der Brust. Er spürte, wie sich ihr Druck verstärkte und sich die gebogenen Krallen in ihn bohrten. Doch sie verletzten ihn nicht, und während er fiel, glucksten die anderen Fliegenden Krieger. Sie glucksten vor Freude. So schien es Will. Sie breiteten die Flügel aus und sprangen ihnen nach. Sie stießen im Sturzflug zu ihnen herab, packten den Bruder mit ihren Klauen und fingen seinen Fall drei Meter, bevor er auf dem Deck zerschellen würde, über dem Mondscheinflamingo ab. Sie setzten ihn sanft hinter dem Steuer ab, und von dort sah Will durch die libellenartig durchsichtigen Flügel, wie die restlichen Vogelmänner oder Fliegenden Hunde, Sternenkrieger oder Monster den Mondscheinflamingo packten und aus der Lava zogen. Will sah die riesigen Dschunkensegel. Die waren spinnfädrig fein wie die Flügel der Wesen aus Silber gesponnen. Die vier Masten, von denen sich jeweils zwei leicht seitwärts nach Backbord und Steuerbord neigten, bestanden aus Glas. Der Rumpf war aus hauchdünnem, durchscheinendem Quarz, und als er sich aus der Lava erhob, konnte man die Kufen erkennen, Sie wuchsen unten aus seinem Rumpf. Zwei vorn an den Seiten, eine hinter dem Kiel, und der Bug des Piratenschiffes war so geformt, dass er sich gleich dem Hals eines Flamingos stolz gegen die Decke der Höhle streckte.
    Das Schiff schien aus Eis gebaut zu sein und wie ein Chamäleon nahm sein gläserner Körper deshalb die Farben der Umgebung an. Das Rot der Lava. Das Schwarz der Felswand, als es sich von den Fliegenden Kriegern getragen aus der Tiefe erhob und vor Talleyrands Augen zur Decke schwebte. Doch die Decke der Höhle war der nächtliche Himmel. Mondlos und wolkenverhangen verschluckte er alles Licht und machte den Mondscheinflamingo und seine unheimlichen Krieger für die Welt unsichtbar, als die ihn nach Osten über das Land bis in den Golf von Mexiko trugen.
    Dort setzten sie ihn vorsichtig ab. Zwei Nachzügler brachten Prinz Gagga und den Schwarzen Baron. Wills Begleiter entließ den Piraten aus der Umklammerung seiner Schwingen und dann warteten alle auf seinen Befehl.
    Doch Will ging staunend über das Schiff. Er befühlte die Planken, die Reling, die Masten, und er sah durch die glasklaren Dielen des Decks in den Bauch des Schiffes hinab. Dort schlummerten Chens Drachenkanonen.
    »Ist das ein Schiff?«, fragte Talleyrand lachend, und Will konnte nur nicken. Er war sprachlos, verstört und stolz, überwältigt. Davon hatte er sein Leben lang geträumt. Ein eigenes Schiff. Ja, jetzt war er Käpten und er hatte den Tanz mit dem Teufel getanzt. Er hatte die

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