Honky Tonk Pirates - Es kann nur einen geben - Band 4
Tagen, dass er sich bemühte, ein Gespräch zu beginnen. »Den Fluss hinauf und wenn die Sonne die Wipfel der Bäume am Ufer berührt, wartet der erste auf den zweiten.«
»Und was ist der Preis?«, fragte Will begeistert. Das Beleidigtsein hatte er sofort vergessen. »Was kriegt der Sieger?«
»Für jeden Fisch«, erklärte ihm Nat, »den der erste angelt, bevor der zweite ankommt, schuldet dieser ihm einen Gefallen.«
Er grinste Will an, sprang in sein Kanu, das, wie Will feststellen musste, im Gegensatz zu seinem eigenen längst fertig
gepackt am Ufer lag, und ließ den Piraten mit dem Abwasch des Frühstücks allein zurück.
»Du biestige Ratte! Ich schneide dir deine vorlaute Zunge ab und benutze sie zum Angeln!«, schimpfte Will und er hätte zu gern seinen gesamten Vorrat an Flüchen hinter Nat hergesandt … doch dafür hatte er jetzt keine Zeit.
Er wollte gewinnen, denn er wollte sich keinen Gefallen vorstellen, den sich dieser schweigsame Kerl mit den listigen Augen für ihn ausgedacht hatte. Deshalb riss er sich am Riemen. Er spülte das Geschirr, packte die Sachen zusammen und paddelte los.
Obwohl es stromauf ging, flog das Boot übers Wasser. Das hatte er damals von Aweiku auf der Insel des vergessenen Volks gelernt. Unter ihrer Anleitung war Will zum perfekten Waldläufer und Jäger geworden. Das hatte Nat schon bemerkt, als Will zum ersten Mal in sein Kanu stieg, und Will erntete auch dieses Mal dessen verblüfften Blick, als er schon zwei Stunden später an Nat vorbeizog. Gegen Mittag fiel der Amerikaner hinter die letzte Flussbiegung zurück und am Nachmittag konnte Will Nat selbst dann nicht mehr sehen, als er das Ende eines mindestens drei Meilen langen und schnurgeraden Flussstücks erreichte.
Trotzdem legte er erst an, als die Sonne die Wipfel der Bäume berührte. Er fand eine Bucht auf der Südseite einer der kleinen Inseln, die hier verstreut im Strom lagen.Von ihr konnte er meilenweit stromabwärts sehen und während er angelte, hielt er immer wieder Ausschau nach seinem Freund. Bald hatte Will drei Hechte und zehn Forellen gefangen. Das schien ihm genug, und als Nat kurz nach Mondaufgang in der Bucht anlegte, brutzelten die dreizehn Fische bereits über dem Feuer.
Will grinste. »Du schuldest mir dreizehn Gefallen«, sagte er und genoss seinen Triumph. »Unter Piraten reicht das für ein ganzes Leben.«
»Aha«, stutzte Nat. »Und wie lange dauert so ein Piratenleben? «
»Mit oder ohne Gefallen?«, lachte Will. »Mit dreizehn Gefallen kann es sehr lange dauern.«
»Gut«, lächelte Nat. »Dann machen wir morgen dasselbe noch mal.«
»Wie du willst«, lachte Will, »aber da ich dann morgen noch reicher an Gefallen sein werde, die du mir dann schulden wirst, kannst du jetzt schon einen bei mir einlösen.«
Nat hob die Achseln.
»Warum machst du das, Nat? Warum hilfst du mir so, statt mich für die fünf Dukaten, die dir Hannah gezahlt hat, zu töten? Und willst du wie alle anderen den Ring?«
»Hey«, fiel Nat ihm ins Wort. »Warte, ich dachte, du willst lange leben. Das waren drei Fragen. Und drei Fragen kosten dich drei Gefallen, Will.«
»Ja, aber ich habe genug davon.« Will grinste ihn an und machte es sich vor dem Feuer gemütlich.
Das musste er auch, denn Nat begann nachzudenken. Er zündete sich eine Pfeife an. Eine weiße Pfeife mit einem sehr langen Holm. Die paffte er langsam und blickte dabei immer wieder zu seinem ungeduldigen Freund.Will wurde schon müde. Ihm fielen nach der Anstrengung des Tages die Augen zu. Da antwortete Nat.
»Ich weiß es nicht«, sagte er gelassen und ruhig. »Ich weiß nicht, warum ich das tue,Will, aber ich helfe dir gern. Es ist wie ein Wunsch, den ich mir unbedingt erfüllen muss. Ich spüre das
seit unserer ersten Begegnung.Vielleicht hab ich mich ja damals in das Mädchen verliebt, das du gar nicht warst.«
Will sah, wie ein Lächeln um seine Mundwinkel spielte.
»Getötet hab ich dich nicht, weil ich dir sonst nicht helfen könnte. Und was den Ring betrifft, interessiert er mich nicht die Bohne.«
Will stutzte verblüfft, doch Nat sagte nichts mehr. Er nickte Will zu – das war seine Art, Gute Nacht zu sagen – und dann rollte er sich neben dem Feuer in seine Decke.
Kurze Zeit später schliefen die Jungen und als Will am nächsten Morgen aufwachte, stand die Sonne schon über den Bäumen. Von Nat war keine Spur zu sehen, aber an seiner Schlafstelle steckte ein Stock in der bemoosten Erde und an dem hing ein Stück Rinde
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