Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
mir Gedanken über den nächsten Kandidaten zu machen.«
»Meine ersten Hochrechnungen und die Prognosen des Herzogs von Cromarty zeigen, dass sie Regentin wird.«
Elizabeth lächelte. »Heute Abend wird Vater beerdigt. Danach können wir neu anfangen.«
Königinmutter Angelique nickte und hob ihr Glas. »Auf den Neuanfang!«
Kaffeetassen und Kristallglas trafen mit einem leisen Klirren zusammen, und der Rest griff den Trinkspruch der Königinmutter auf:
»Auf den Neuanfang!«
DER SCHWERSTE WEG NACH HAUSE
(The Hard Way Home)
von David Weber
»Da! Schau mal, da oben!«
Auf den Ruf seiner Schwester hin verdrehte sich Ranjit Hibson auf dem Sitz. Er legte den Kopf in den Nacken, um aus dem Fenster auf der anderen Seite des Flugbusses schauen zu können, und lehnte sich in den Mittelgang vor, um zu sehen, worauf seine Schwester so eifrig deutete. Der Anblick war atemberaubend; der Pilot flog in solch geringer Höhe durch das Olympustal, dass die Bergspitzen zu beiden Seiten bis in den Himmel zu ragen schienen. Die Berge aber hatte Ranjit auch aus dem Fenster auf seiner Seite sehen können. Ehrfurchtgebietend war es, dieses gewaltige Massiv, das vor dem schmerzhaft blauen gryphonischen Winterhimmel seine riesigen, schneebedeckten Kuppen reckte – besonders für jemanden, der die letzten beiden Jahre an Bord eines Weltraumhabitats verbracht hatte. Trotzdem bemerkte Ranjit nichts, was den plötzlichen Begeisterungsausbruch seiner Schwester erklärt hätte.
»Was denn?«, fragte er. »Das sind doch bloß noch mehr Berge, Susan.«
Sie drehte den Kopf und bedachte ihn mit einem Gesicht, das tadelnde Verärgerung kundtat; er gab sich innerlich eine Kopfnuss, weil er im typischen Tonfall des älteren Bruders geredet hatte, der seiner kleinen Schwester einen Dämpfer versetzen will. Und genau das lag nicht in seiner Absicht. Mit siebzehn war er fünf Jahre älter als Susan, und seine Mutter hatte ihn erst vor einigen Wochen (in einem recht unangenehmen Gespräch) zurechtgewiesen, er mache es sich zur Angewohnheit, seine kleine Schwester jedes Mal außen vor zu lassen, wenn er und seine Freunde etwas ›Interessantes‹ planten.
Dieser Vorwurf war berechtigt gewesen und hatte Ranjit getroffen, denn er liebte seine Schwester. In letzter Zeit aber wies er sie häufig ab, als würde sie ihm mit einem Mal zur Last fallen. Lästig sein konnte Susan zwar durchaus, aber das war unter den richtigen – oder falschen – Umständen jeder, auch er. Sie lebten in einer schwierigen Situation, seit die Manticore Mineralogy and Mining Ltd. vor zwei Jahren ihre Eltern beauftragt hatte, im Einhorn-Gürtel von Manticore B Bohrkerne aus Aufschlussbohrungen an Asteroiden zu begutachten, und zwar für das Hauptmann-Kartell.
Der Einhorn-Gürtel war sehr reich an Rohstoffen, für Heranwachsende aber entschieden zu langweilig. Wenigstens lebten die Hibsons in Unicorn-11, einem der neuesten unter den vielen, weit verstreuten Weltraumhabitaten, die Hauptmann’s für seine Beschäftigten errichtet hatte. Unicorn-11 rühmte sich der allerneusten Wohn- und Freizeiteinrichtungen. Die meisten Angestellten dort waren leider noch jung: Viele frischgebackene Hochschulabsolventen wurden in Unicorn-11 erprobt und eingearbeitet, bevor man sie zu Vor-Ort-Teams versetzte. Auch Forschungs- und Entwicklungsfachleute oder Aufbereitungsspezialisten lebten dort, die alle am Beginn ihrer Karriere standen und sich in Unicorn-11 die ersten Sporen verdienten. Nur der kleine, harte Kern des Verwaltungs- und Schulungspersonals bestand aus älteren Mitarbeitern.
Kalindi und Liesell Hibson gehörten zu den seltenen Ausnahmen von der Norm. Als erfahrene Analytikspezialisten waren sie zu wertvoll, um sie vor Ort einzusetzen, mussten aber trotzdem in die Nähe der Probestätten geschafft werden, um die Durchlaufzeiten zu minimieren.
Seit einigen Jahren erschlossen die Prospektorenteams von Hauptmann’s einen Abschnitt des Einhorn-Gürtels, der sich als außerordentlich ergiebig erwies. Dadurch ergab sich ein Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften, der das Kartell bewogen hatte, die Hibsons (für einen Pauschalbetrag) von Three-M auszuleihen und mit ihnen die Stammbesatzung von Unicorn-11 zu verstärken. Da sie somit nicht der üblichen Laufbahn bei Hauptmann’s gefolgt waren, fanden sie sich altersmäßig in einer Lücke wieder: Sie waren jünger als die Stammbesatzung, aber älter als das nur zeitweilig auf Unicorn-11 eingesetzte Personal. Infolgedessen hatten
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