Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
gewöhnt, dass man ihm in solch anmaßendem Ton widersprach. »Wir haben einfach zu viele Gerüchte aus zu vielen unabhängigen Quellen gehört. Und diesen Staatsbesuch Königin Elisabeths finden wir höchst auffällig. Sehen Sie doch nur, wie die Öffentlichkeit bereits auf die Meldungen reagiert! Gäbe es für das Schwert einen geeigneteren Zeitpunkt, um solch eine Annexion vorzuschlagen – zumal der Anschluss San Martins so glatt läuft? Sie und das Schwert könnten sich den jüngsten Sieg bei Barnett und die öffentliche Hysterie über den königlichen Besuch zunutze machen, um den Antrag auf Annexion bei den Schlüsseln durchzutrotzen. Zumindest könnten sie diese Vorteile einsetzen, um die Idee vor einer Zuhörerschaft vorzutragen, die ihnen gewogen ist. Natürlich nur, falls sie mit dem Vorschlag tatsächlich an die Öffentlichkeit gehen und ihn in entsprechend verführerischer Weise präsentieren wollen.«
»Das stimmt wohl«, räumte Mueller ein. »Ich habe auch nur gesagt, wir finden keinen Beweis dafür, dass sie eine Annexion beabsichtigen.«
»Nur weil wir nicht an den richtigen Stellen gesucht haben … oder mit der nötigen Entschlossenheit«, entgegnete Baird, und nun überfiel Mueller echte Wut. Bairds Tonfall hatte sich erneut geändert. Er klang nun nicht mehr bloß selbstsicher, sondern triumphierend.
»Wir haben alle erdenkliche Mühe auf uns genommen«, betonte der Gutsherr, und seine Wut nahm noch zu, als er den ausweichenden Unterton in Bairds Stimme bemerkte.
»Nein, Mylord, das haben wir nicht«, widersprach Baird noch unverhohlener als zuvor. »Aber wir werden es tun. Darum wollte ich Sie ja sprechen.«
»Was soll das heißen?«, fuhr Mueller ihn so scharf an, dass hinter ihm Corporal Higgins eine Hand auf den Pulsergriff legte.
»Das heißt, Mylord, dass wir Ihre Hilfe benötigen, um besagten Beweis zu erhalten.«
»Aber ich habe bereits alle Quellen und alle Kanäle benutzt, die ich besitze!«
»Das ist uns bewusst. Wir haben jedoch eine Idee, die uns einen völlig neuen Kanal öffnet. Aber nur mit Ihrer Unterstützung.«
»Was für einen Kanal?« Mueller sah zwischen Baird und Kennedy hin und her; er spielte mit dem Gedanken, sie hinauszuwerfen. Das liegt an ihrem despektierlichen Verhalten , dachte er, aber in Wahrheit erkannte er, dass hinter seiner Verärgerung etwas Dunkleres, Beunruhigenderes stand. Ein Unterton der Furcht, den er sich nicht eingestehen wollte. Aber das war doch auch lächerlich! Er war ein Gutsherr, sie waren Gäste in seinem Haus, er duldete sie nur.
»Unser Plan ist eigentlich simpel, Mylord«, erklärte Baird. »Wie durch eine Ironie des Schicksals wird er erst durch Königin Elisabeths Besuch ausführbar.«
»Kommen Sie bitte zur Sache«, sagte Mueller knapp, und Baird zuckte mit den Schultern.
»Aber gewiss. Unsere Überlegungen sind recht unkompliziert. Wenn man – wie wir – annimmt, dass das Schwert Grayson tatsächlich mit dem Sternenkönigreich vereinen und darin aufgehen will, würde der Staatsbesuch dem Protector und Prestwick doch die ideale Gelegenheit bieten, ihr Ansinnen mit Elisabeth und dem Herzog von Cromarty zu besprechen. Sie wären unter sich, ohne Vermittler, die womöglich Einzelheiten ausplaudern. Elisabeth bringt auch ihren Außenminister mit, den Earl von Gold Peak, und das erhärtet unseren Verdacht, denn der Außenminister müsste schließlich an allen Gesprächen über solch ein Thema beteiligt sein, Stimmen Sie so weit mit uns überein?«
Baird hob höflich die Brauen, und der Gutsherr nickte abgehackt. Mueller war zu dem Schluss gekommen, dass Prestwick und Mayhew keineswegs Anschlusspläne hegten, aber wäre es so gewesen, dann hätte Baird Recht: Der Staatsbesuch stellte die perfekte Gelegenheit dar, sich auf eine Strategie zu einigen.
»Außerdem«, sprach Baird weiter, »haben wir ja auch schon mehrfach mit Ihnen darüber gesprochen, dass der gesamte Anschlussplan nichts weiter ist als ein Trick, ein Deckmantel für die eigentliche Absicht des Schwertes. Und die besteht darin, die so genannten Reformen des Protectors weiter voranzutreiben, die Macht der Schlüssel zu brechen und den wahrhaft Gläubigen unter den graysonitischen Siedlern ihren Einfluss zu nehmen – kurz: uns zu einem Abziehbild Manticores zu machen. Aus ihren Privatgesprächen wird schon hervorgehen, ob unser Verdacht berechtigt ist. Sie werden ihre wahren Beweggründe gewiss verraten. Und wenn wir ihre Gespräche aufzeichnen könnten, dann
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