Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
die Turmwächter sie und die Ehrenwerte Michelle hineinführten. Ein sehr steifer Captain der Queen’s Own begleitete sie im altmodischen, nur aufwärts und abwärts fahrenden Aufzug nach oben. Als Honor seine starke Missbilligung spürte, runzelte sie kaum merklich die Stirn.
Sie wusste, was ihn störte. Das graysonitische Gesetz verlangte von jedem Gutsherrn, aus Sicherheitsgründen zu allen Zeiten von persönlichen Waffenträgern begleitet zu werden. Den Offizieren wiederum, die für die Sicherheit der Königin von Manticore verantwortlich waren, sträubten sich die Haare bei dem Gedanken, bewaffnete Besucher vor Elisabeth III. treten zu lassen.
Sie besaßen keinen Grund, den Graysons im Allgemeinen zu misstrauen, und noch weniger Anlass, jemanden in Honors Gefolge als verkappten Attentäter zu verdächtigen. Hier aber war ihr Reich, und ihr gezielt geschulter Argwohn lief auf Hochtouren.
Dafür hatte Honor größtes Verständnis, denn sie trat nur äußerst ungern mit Bewaffneten vor die Queen. Ihr blieb jedoch keine andere Wahl. Sie hatte ihre gewöhnlich drei Mann umfassende Eskorte auf das Minimum reduziert, das vom graysonitischen Gesetz erlaubt wurde. Hätte sie versucht, auch Andrew oder Simon auszuschließen, hätten sie dies womöglich als Argwohn interpretiert, und Honor wäre lieber gestorben, als ihre Waffenträger – Menschen, die sie mit ihrem Leben beschützen – in dieser Weise zu kränken.
Außerdem hat sich Elisabeth selbst Gedanken darüber gemacht. Andernfalls hätte sie mich – und ihre Palastwache – wohl kaum darauf hingewiesen, dass Andrew und Simon ihre Waffen behalten sollen.
Mit einem Seufzen hielt der Aufzug an, und Honor und Henke folgten dem Führer durch einen kurzen Korridor in den gleichen Salon, in dem Elisabeth III. sie beide schon einmal empfangen hatte. Mattingly schwenkte vor der beschnitzten und polierten Holztür aus und positionierte sich links davon, während der Heeres-Captain auf der rechten Seite Aufstellung bezog. Nur LaFollet folgte ihnen in den Raum.
Elizabeth Adrienne Samantha Annette Winton, Königin Elisabeth III. von Manticore, saß in einem üppig gepolsterten Sessel, der auf dem gleichen dicken, rostroten Teppich stand wie beim letzten Mal. Sie war nicht allein. Ihr Baumkater Ariel räkelte sich auf der Sessellehne und hob den Kopf. Aufmerksam blickte er Nimitz und Samantha an. Honor spürte die vertraute Woge, mit der er die beiden Ankömmlinge kontaktierte – und seine Bestürzung, als nur Samantha antwortete. Er erhob sich und musterte Nimitz eingehend. Honor spürte, wie er entsetzt begriff, was geschehen war. Dann bekundete er Nimitz sein Mitgefühl und hieß ihn herzlich willkommen.
Im Raum waren noch zwei andere Menschen. Einen davon kannte Honor sehr gut: Es war ihr Cousin Devon. Sie zwinkerte dem Zweiten Earl von Harrington zu. Er wirkte schrecklich verlegen – und so fühlte er sich auch; sie empfing seine Emotionen so gut wie die jedes anderen. Honor erinnerte sich noch allzu gut, wie verlegen sie bei ihrer ersten Audienz bei der Königin gewesen war; für Devon musste es noch schlimmer sein. Honor war zumindest Raumoffizier und hatte Elisabeth schon vor diesem Besuch gesehen. Der Note seiner Gefühle und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte sich Devon noch immer nicht an den Gedanken gewöhnt, ein Peer des Sternenkönigreichs zu sein. Honor spürte, dass er sich fragte, ob sie ihm den Titel wohl wieder abspenstig machen wolle.
Sie lächelte ihn so beruhigend an, wie es ihr mit ihrem halbseitig gelähmten Gesicht nur möglich war, dann aber lenkte der zweite Mann im Raum sie von ihrem Cousin ab. Er hatte silberweißes Haar und war schmächtig gebaut; sein abgespanntes Gesicht ähnelte irritierend jenem Antlitz, das Honor einmal über eine Entfernung von vierzig Metern auf dem Rasen des Duellgeländes von Landing City gesehen hatte. Jenes Gesicht hatte ebenfalls einem Summervale gehört. Denver Summervale war jedoch ein unehrenhaft entlassener Marineinfanterieoffizier gewesen, der auf bezahlten Killer umgesattelt hatte; Allen Summervale war der Herzog von Cromarty – und Premierminister des Sternenkönigreichs von Manticore.
»Dame Honor!« Mit breitem Lächeln erhob sich Elisabeth III. Honor verspürte grenzenlose Erleichterung, als sie hinter diesem Lächeln aufrichtige Wiedersehensfreude spürte. Obwohl sie seit Jahren Gutsherrin von Harrington war, hatte sie sich längst noch nicht so sehr von ihren Wurzeln als
Weitere Kostenlose Bücher