Honor Harrington 12. Die Raumkadettin von Sphinx
Catherine, muss ich Ihnen sagen, ich habe nicht damit übertrieben, dass ich außerhalb der Befehlskette operiere. Tatsache ist …«
Wieder atmete er tief durch. »Wenn alles vorüber ist, wie auch immer es ausgeht, werde ich wohl vor dem Kriegsgericht landen. Es würde mich nicht überraschen, wenn die Anklage sowohl auf Hochverrat als auch Gehorsamsverweigerung und grobe Pflichtvergessenheit lautet.«
Cathys Augen wirkten wie Elfenbeinkugeln. Zilwickis Stimme indes war mehr von Zorn denn von Gram erfüllt. »Botschafter Hendricks und Admiral Young haben mir eindeutige Anweisungen gegeben. Und ich habe vor, ihnen ihre Anweisungen so tief wie möglich in den Hintern zu schieben – verzeihen Sie meine Ausdrucksweise. Mit oder ohne Gleitmittel, das ist mir völlig gleich.«
Cathy hörte ihr eigenes Lachen nicht gern. Sie hatte es schon auf Aufzeichnungen gehört und festgestellt, dass es einem Pferdewiehern genauso sehr glich, wie sie immer befürchtet hatte. Trotzdem konnte sie jetzt den Drang nicht unterdrücken. Überhaupt war sie nicht sonderlich gut darin, einen Drang zu kontrollieren, und sie brach leicht in Gelächter aus.
»Oh, köstlich!«, rief sie. Dann fügte sie röchelnd hinzu: »Kein Gleitmittel, Captain – nicht für die zwei! Stattdessen …« – sie röchelte und schnaufte – »… wollen wir sehen, ob wir diese Anweisungen nicht zuvor fein säuberlich zersplittern können. Sollen die Bastarde doch bluten!«
Captain Zilwickis Mundwinkel zuckten wieder. Diesmal aber wurde aus dem Zucken ein richtiges Lächeln, und zum ersten Mal spiegelte sich der Humor in seiner Stimme auch in seinen Augen wider.
Er ist ein recht attraktiver Mann , befand Cathy, wenn man erst hinter seine düstere Fassade blicken kann. »Und wie genau kann ich Ihnen bei Ihrem großartigen Vorhaben helfen, Captain? Was auch immer es sein mag.«
Helen
Helen war so tief in ihre Arbeit versunken, dass sie völlig die Zeit vergaß. Zum ersten Mal war die Flucht zum Greifen nahe und nicht mehr bloß eine abstrakte Möglichkeit. Erst als von der Scherbe, mit der sie grub, eine kleine Menge Sand rieselte – eher eine Staubtasche, in den zerbröckelten Steinen und Schüttmaterialien eingeschlossen – fiel es ihr wieder ein.
Sofort wurde Helen von Panik gepackt. Hastig kroch sie rückwärts aus dem kleinen Tunnel zurück in die Zelle. Als sie wieder daraus hervorkam, krabbelte sie – noch immer auf allen vieren –, zu ihrer behelfsmäßigen »Sanduhr«.
Leer.
Nun wurde die Panik beinahe überwältigend. Helen hatte sich ein Zeitmessgerät aus einem alten Behältnis gebaut, das sie in einer Zellenecke gefunden hatte. Eine Farbdose, dachte sie, obgleich das Ding so alt war, dass man das schwer bestimmen konnte. Glücklicherweise bestand die Dose aus synthetischem Material. Metall wäre sicher schon längst der Korrosion zum Opfer gefallen.
Mit einem spitzen Stein hatte sie ein kleines Loch in die Dose gehauen. Dann, als ihre Entführer ihr die nächste Mahlzeit gebracht hatten, begann sie zu experimentieren: Sie füllte die Dose mit dem trockenen und pulverigen Staub, der den »Boden« der Zelle bedeckte. Nach drei Mahlzeitszyklen war sie davon überzeugt, dass die Dose stets leer gelaufen wäre, lange bevor ihre Entführer mit der nächsten Mahlzeit hereinkämen. Doch hatte sie bis jetzt immer sorgsam darauf geachtet, aus dem Tunnel zu kriechen und ihre Spuren zu verwischen, solange noch Staub in dem Behälter war.
Leer. Aber seit wann? Soweit Helen wusste, konnte ihre Entführer nun jeden Augenblick die Zelle betreten.
Einen Moment lang presste sie beinah das Ohr gegen die Tür, um zu überprüfen, ob sie die Männer hören konnte. Aber das hatte keinen Zweck. Der Drang beruhte auf reiner Panik, sonst nichts. Helen zwang sich, an das zu denken, was sie bei Meister Tye gelernt hatte.
Zuerst atmen. Das sagt Meister Tye immer. Zuerst atmen.
Langsam und tief sog sie den Atem ein, ließ zu, dass die Luft ihren Geist ebenso sehr mit Ruhe erfüllte wie die Lungen mit Sauerstoff. Noch ein Atemzug. Noch einer.
Unter Kontrolle. Nun war Helen wieder zu schnellen, aber sicheren Bewegungen fähig und machte sich daran, ihre Spuren zu verwischen. Zuerst deckte sie den Tunneleingang mit dem Brett ab. Dann, wie immer, häufte sie Schutt davor auf, wobei sie darauf achtete, dass die verschiedenen Schuttstücke immer in der gleichen Anordnung lagen.
Danach vermischte sie das frische Grabungsmaterial mit dem alten Schmutz und
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