Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
wollen nirgendwo sprechen, wo er uns nicht abhören kann , überlegte Michael mit ererbtem Zynismus. Wahrscheinlich jedenfalls. Er weiß, dass Faldo auf diese Weise nicht allzu viel Zeit hat, mich einzuweisen, was ich zu tun und zu lassen habe. Vielleicht glaubt er, er kann mich irgendwie über den Tisch ziehen.
Michael hörte aufmerksam zu, während die Planung für den kommenden Tag erstellt wurde, nur wurde nichts weiter Wichtiges ausgesprochen aus Furcht, entweder die Haveniten oder die Masadaner könnten etwas hören, was nicht für ihre Ohren bestimmt war. Eine Signalverbindung mit Bündelstrahl war eine feine Sache, doch als angehender Signaloffizier kannte Michael nur allzu viele Möglichkeiten, ihre Sicherungsmechanismen zu umgehen.
Nachdem die Verbindung beendet worden war, nahm Lawler sein Schreiten wieder auf; mit lebhaftem Enthusiasmus rieb er sich in die Hände.
»Nun, das ist interessant, sehr interessant …«, begann er, doch Hill unterbrach ihn.
»Das stimmt«, sagte er. »Gegen die Politik des Vorsitzenden Ältesten Simonds hat sich bereits Widerstand gebildet. Ich frage mich, ob er auf diese Weise seinem Volk seine eigene Wichtigkeit beweisen und es überzeugen will, was es an ihm als Staatschef hat.«
»Der Berg kommt zum Propheten, und dergleichen«, entgegnete Lawler. »Richtig. Nun, lassen wir ihn doch seine Spielchen treiben.«
»Bei aller Bescheidenheit, Sir«, widersprach Hill, ohne im Mindesten bescheiden zu klingen, »ich würde diesen Vergleich nicht benutzen. Die Wahren Gläubigen lehnen sogar das Neue Testament der christlichen Bibel ab; den islamischen Glauben würden sie – wenn sie sich überhaupt daran erinnern – als Ketzerei betrachten.«
Lawler blickte einen Augenblick verdutzt drein, dann setzte er sein Händereiben fort.
»Genau! Darum sind diese Einweisungen so wichtig. Fehler können wir uns nicht erlauben.«
Michael hob die Hand und fühlte sich mehr denn je wieder wie ein Schüler.
»Mr Lawler, ich sollte diese Änderung des Zeitplans unbedingt Lieutenant Dunsinane melden.«
Lawler machte eine ausholende, oberflächliche Handbewegung.
»Tun Sie das, Königliche Hoheit. Ich werde den Lieutenant schriftlich darum bitten, Sie während dieser entscheidenden Periode manticoranischer Diplomatie von Ihren routinemäßigen Bordpflichten zurückzustellen.«
Als Michael zum Intercom ging, um den 2TO anzurufen, ertappte er sich bei der Überlegung, was genau der nächste Tag bringen mochte, und hoffte wider alle Vernunft, dass er keine sehr erboste Lieutenant Dunsinane einschloss.
Carlie las die Nachricht Mr Lawlers zuerst ungläubig, dann verärgert. So lange starrte sie auf den Bildschirm, dass beide Gefühle schließlich zu einer allgemeinen Verblüffung verschmolzen.
… ersucht, dass Mister Midshipman Winton von einem Teil seiner Bordpflichten freigestellt wird, um zu diesem diplomatisch entscheidenden Moment den Erfordernissen Ihrer Königlichen Majestät bestmöglich dienen zu können.
Es folgte noch mehr davon im gleichen besänftigenden und leicht schwülstigen Ton, doch alles lief auf das hinaus, was in der ersten Zeile schon deutlich ausgesprochen worden war: Midshipman Winton sollte Urlaub von seinen Pflichten als Besatzungsmitglied der Intransigent bekommen, damit er den Kronprinzen spielen konnte.
Sie hatte natürlich gewusst, dass Michael mit Mr Lawlers Kontingent auf den Planeten gehen würde, aber nicht damit gerechnet, Mr Lawler könnte so kühn sein, auch nur anzudeuten, dass es für einen Raumkadetten etwas geben könnte, das wichtiger war als seine Bordpflichten. Sie war davon ausgegangen, dass Midshipman Winton seine Ausflüge auf den Planeten in seiner Freizeit absolvieren würde. Schließlich hatte sie auch für seine diversen Treffen mit Lawler und Co genügt, oder?
Ihre erste Reaktion bestand in Ablehnung. Dann kam ihr die Wendung ›diplomatisch entscheidender Moment‹ in den Sinn. Dass es Haveniten in diesem Sonnensystem gab, war kein Geheimnis, und Havies waren weder als zimperlich noch subtil bekannt. Dass Haven – wie auch Manticore – bewaffnete Präsenz zeigten, wies deutlich darauf hin, wie labil die Situation war.
Konnte die Anwesenheit von Kronprinz Michael die Haltung der Masadaner gegen die Manticoraner beeinflussen? Wäre sie töricht, wenn sie sich hier an die Vorschriften klammerte? Widerstrebend, denn eigentlich wollte sie das Reglement buchstabengetreu befolgen, rief Carlie Commander Boniece an und erhielt seinen
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