Honor Harrington 17. Um jeden Preis
Ausnahmen – jedenfalls für die meisten, dachte sie mit leicht ironischer Miene. Wie üblich war es für die Gutsherrin von Harrington nicht ganz so einfach, doch immerhin hatte sie LaFollet ein Zugeständnis abgerungen: Sie durfte als Erste durch die Röhre schwimmen, dann erst brachen ihre Waffenträger die traditionelle Reihenfolge des Vonbordgehens auf.
Honor schmeckte Nimitz' Vorfreude und Begeisterung wie einen Widerhall ihrer eigenen Gefühle, als sie sich graziös durch die Schwerelosigkeit in der Zugangsröhre warf. Sie packte die Haltestange am anderen Ende und schwang sich mit der Geschmeidigkeit, wie sie aus jahrzehntelanger Erfahrung entsteht, durch die Grenzfläche in das interne Schwerefeld des Schiffes. Sie landete an genau der richtigen Stelle knapp vor der auf das Deck gemalten Linie, die den offiziellen Beginn von HMS Imperator anzeigte.
»Achte Flotte, designiert, trifft ein!«, verkündete das Intercom, während die elektronischen Bootsmannspfeifen schrillten und die Seite steif Haltung annahm; die Marines präsentierten ihre Pulsergewehre mit den aufgepflanzten Bajonetten mit Paradeplatz-Präzision.
»Bitte um Erlaubnis, an Bord zu kommen, Ma'am«, wandte sich Honor formell an den weiblichen Lieutenant Senior-Grade mit der Armbinde des Hangaroffiziers vom Dienst.
»Erlaubnis erteilt, Ma'am«, antwortete die junge Frau und salutierte zackig. Honor erwiderte die Ehrenbezeigung, dann trat sie an ihr vorbei auf den Gang, den die angetretenen Reihen der Seite freigelassen hatten, und näherte sich Rafael Cardones, der auf sie wartete.
»Willkommen an Bord, Hoheit«, sagte er und reichte ihr die Hand, während hinter ihr für Mercedes Brigham erneut die Bootsmannspfeifen gepfiffen wurden.
»Danke, Captain«, sagte sie, um dem Protokoll Genüge zu tun, aber ihre Augen funkelten. Rafael Cardones hatte sich sehr zu seinem Vorteil weiterentwickelt, seit sie ihn als jungen Offizier kennengelernt hatte, aber sie schmeckte noch immer die Begeisterung eines kleinen Jungen an ihm, und den Stolz auf sein neues Kommando. Er grinste, als er zu ihrem weißen Barett aufsah.
»Meinen Glückwunsch, ›Captain‹ Harrington.« Er sah sie zum ersten Mal, seit sie offiziell zur Kommandantin von HMS Unconquered ernannt worden war. »Anscheinend haben wir beide neue Schiffe bekommen, Hoheit.«
»Anscheinend«, stimmte sie zu und blickte sich in dem geräumigen, makellos sauberen Hangar um. »Und ihr Schiff sieht wunderbar aus, Rafe«, fügte sie in weicherem Ton hinzu, und Cardones' Zähne blitzten zu einem breiten Grinsen hell auf.
»Nicht so hurtig wie die Werewolf oder ein Schlachtkreuzer, Ma'am«, sagte er, »aber sie hat noch immer den Geruch eines neuen Autos zu bieten. Unter anderem.«
»Das habe ich gehört«, entgegnete sie und wandte sich um. Sie stellte sich neben Cardones und beobachtete mit ihm die Ankunft ihres übrigen Stabes. Diese Ankunft brauchte ihre Zeit, und – nicht zum ersten Mal – sagte sie sich, dass die Navy manches rascher erledigen könnte, wenn sie nicht so sehr in angemessene Abläufe, Formalitäten und Traditionen verliebt gewesen wäre. Natürlich wäre sie andernfalls nicht mehr die Navy gewesen.
»Darf ich Sie in Ihr Quartier bringen, Ma'am?«, fragte Cardones, nachdem sich alle eingefunden hatten.
»Ich würde es schon gern sehen«, entgegnete Honor, »aber wir sollten zuerst die amtlichen Dinge erledigen. Sind alle Geschwaderchefs an Bord?«
»Admiral Henke ist noch unterwegs, Ma'am«, antwortete er. »Sie wird in etwa sechs Minuten eintreffen. Sie bittet um Entschuldigung, aber sie ist an Bord von Admiral Kuzaks Flaggschiff aufgehalten worden.«
»Na, ich glaube nicht, dass ich sie jetzt schon füsilieren lasse«, sagte Honor bedachtsam. »Aber wenn ihre Ankunft so kurz bevorsteht, hätten Sie etwas dagegen, hier auf sie zu warten und gemeinsam mit mir auf die Flaggbrücke zu gehen, nachdem sie eingetroffen ist?«
»Natürlich nicht, Ma'am. Wenn Sie nichts dagegen haben, könnten wir die Zeit nutzen, und ich stelle Ihnen einige meiner Ressortoffiziere vor.«
»Ich würde mich freuen«, sagte sie, und Cardones wandte sich den Offizieren zu, die hinter ihm standen.
»Commander Hirshfield, mein Eins-O«, sagte er und wies auf eine hochgewachsene, schlanke rothaarige Frau, die Honor die rechte Hand reichte. Hirshfield stand eindeutig die Neugier in den blauen Augen, als sie Honors Blick begegnete, aber sie hatte einen festen Händedruck, und Honor mochte den Geschmack
Weitere Kostenlose Bücher