Honor Harrington 17. Um jeden Preis
einem unausgesprochenen Übereinkommen, vor Hamishs Ehefrau.
Doch als Honor Emily ansah und ihre Gefühle schmeckte, bemerkte sie rasch, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Noch immer war jener bittersüße Strang vorhanden, diese verirrte Melodie bekümmerter Trauer um alles, was Emily verloren hatte, doch zugleich spürte Honor ein intensives Gefühl von … Zufriedenheit. Ein großzügiges Glücksempfinden, mit dem Emily in Hamishs Freude einfiel.
Honors Steifheit verschwand. Ihre Augen brannten, und sie ließ die Wange auf Hamishs breiter Schulter ruhen, drückte ihn mit dem linken Arm an sich, während sie die rechte Hand nach Emily ausstreckte.
»Du sollst dich hier wohlfühlen«, sagte Emily leise. »Du gehörst hierher.«
Honor blickte aus zusammengekniffenen Augen zwischen Hamish und Emily hin und her, während sie von ihnen ins Haus gebracht wurde. Nachdem die anfängliche Gefühlsaufwallung der Heimkehr etwas abgeebbt war, bemerkte sie, dass unter der Oberfläche ihrer Emotionen noch etwas anderes vorging.
Nimitz spürte das Gleiche. Er war leichtfüßig von Honors Schulter auf Emilys Schwebesessel zu Samantha gesprungen, doch als er nun seine Person ansah, schmeckte auch Honor seine Neugier.
Sie haben etwas vor , dachte sie. Sie haben für mich irgendeine Überraschung auf Lager.
Sie setzte an, etwas zu sagen, besann sich jedoch eines anderen. Was immer sie planten, sie empfanden offenbar eine große Vorfreude, und Honor wollte nichts tun, was ihnen die Überraschung verdarb. Und was war es für eine Überraschung, als sie in Emilys Innenhof kamen und dort Honors Eltern auf sie warteten!
»Mutter? Daddy?« Wie angewurzelt blieb Honor stehen. »Was macht ihr denn hier?«
»Wie immer ganz die Diplomatin«, sagte Allison Harrington traurig und schüttelte den Kopf. »Von diesem Mädchen hört man keine Schmierseife. Forsch, sachlich und direkt auf den Punkt gebracht. Da fühlt man sich doch gleich willkommen, was, Alfred?«
»Ich glaube, hier braucht jemand eine Tracht Prügel«, erwiderte ihr Mann gelassen. »Aber nicht deine Tochter.«
»Oh! Versprochen?«, fragte Allison und grinste ihn spitzbübisch an.
» Mutter! «, protestierte Honor lachend.
»Was denn?«, fragte Allison unschuldig.
»Meine töchterliche Zucht hält mich davon ab, diese Frage so zu beantworten, wie sie es verdient«, versetzte Honor. »Wenn es dir also nichts ausmacht, komme ich auf meine erste Frage zurück: Was macht ihr hier? Nicht dass ich mich nicht freuen würde, euch zu sehen. Aber die gesamte Familie Harrington auf White Haven gleichzeitig anzutreffen passt wirklich nicht ganz zu der Überschrift: diskret und zurückhaltend, oder?«
Sie blickte Hamish und Emily an, während sie sprach, doch keiner von beiden schien sich besonders zu sorgen. Vielmehr wirkten sie unmäßig zufrieden.
»Also ist es wirklich eine Überraschung für dich«, sagte Emily mit außerordentlicher Genugtuung und bestätigte Honors Eindruck. »Gut! Du machst dir ja keine Vorstellung, wie schwierig es ist, eine Empathin zu überraschen!«
»Ich hätte mir schon gedacht, dass ihr irgendetwas vorhabt«, sagte Honor, »aber mir wäre nie der Gedanke gekommen, dass Mom und Dad hier rumsitzen und auf mich warten. Was mich, wenn niemand etwas dagegen hat«, fügte sie betont hinzu, »wieder auf meine erste Frage zurückbringt. Schon wieder.«
Sie musterte das gesamte Quartett – und zwei offenkundig amüsierte Baumkatzen – mit einem gebieterischen Blick, und Emily lachte. Lachte, wie Honor feststellte, mit einer Blase aus intensiver Freude. Eine Blase, die ihre Freude umfasste, Honor wiederzusehen, aber zugleich etwas anderes einverleibt hatte – etwas, das wenigstens genauso kräftig war und auf jeden Fall tiefer reichte.
»Niemand könnte etwas gegen ihre Anwesenheit einzuwenden haben«, sagte Emily. »Schließlich ist öffentlich bekannt, dass ich dich zum Abendessen eingeladen habe – ich hielt es für recht clever, mit der Einladung zu warten, bis du in Tom Caparellis Büro sitzt, und mich dann von der Vermittlung der Admiralität durchstellen zu lassen. Und es ist nichts Ungewöhnliches, dass ich, wenn ich eine Freundin zum Abendessen einlade, auch ihre Eltern hinzu bitte. Besonders«, ihre Stimme wurde weich, »wenn eine davon meine neueste Ärztin ist.«
»Ärztin?«, wiederholte Honor.
»Ja.« Emily lächelte ihr mit einer seltsamen Gelöstheit zu, die sich auf eine undefinierbare Weise … vollständiger anfühlte.
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