Honor Harrington 17. Um jeden Preis
Waffenträger, wie sie das Gesicht abwandte und die Ziele nicht einmal ansah, während sie sich aus ihrer holografischen Tarnung schälten … und die Pulserbolzen rissen ihnen trotzdem die Brust auf, einem nach dem anderen.
»Wie macht sie das denn bloß?«, wollte Hawke wissen. »Sehen Sie sich das nur an! Sie hat sogar die Augen geschlossen !«
»Ja, das stimmt«, gab Mattingly ihm lächelnd recht. »Irgendwann hat der Colonel es nicht mehr ausgehalten und sie gefragt. In der Nagelhaut dieses Fingers ist eine winzige Kamera versteckt, und wenn die Gutsherrin den Pulser aktiviert, sendet die Kamera direkt an ihr künstliches Auge. Dort entsteht ein Fenster mit einem Fadenkreuz, und da die Kamera exakt nach der Bohrung des Pulsers ausgerichtet ist, trifft der Bolzen automatisch, was immer sie im Fenster sieht.« Er schüttelte, noch immer lächelnd, den Kopf. »Sie war schon immer eine wirklich gute ›Point-and-Shoot‹-Schützin, aber nachdem ihr Vater diesen Arm für sie entworfen hatte, wurde alles noch viel schlimmer.«
»Das können Sie laut sagen«, stimmte Hawke ihm inbrünstig zu.
»Und verdammt gut, dass sie ihn hat.« Mattingly wandte sich vom Armoplast ab. »Man sagt, der Prüfer sei besonders anspruchsvoll, wenn Er die prüft, die Er am meisten liebt. Was mir wiederum verrät, dass Er die Gutsherrin sehr liebhat.«
Hawke nickte, drehte ebenfalls dem Armoplast den Rücken zu und runzelte die Stirn, während er über das nachdachte, was Mattingly ihm gesagt hatte. Nach einer Weile blickte er den älteren Waffenträger wieder an.
»Also, was sagt sie uns nicht?«
»Wie bitte?« Mattingly sah ihn stirnrunzelnd an.
»Was also sagt sie uns nicht?«, wiederholte Hawke. »Sie sagen, es sei die Pflicht eines Waffenträgers, alles zu wissen, was seine Zentralperson ihm nicht sagt. Also, raus mit der Sprache.«
»Ich soll Ihnen etwas sagen, was die Gutsherrin Ihnen nicht gesagt hat?« Mattinglys Stirnrunzeln verwandelte sich in ein hämisches Grinsen. »Das würde mir im Traum nicht einfallen!«
»Aber Sie haben doch gesagt –«
»Ich habe gesagt, es sei die Pflicht eines Waffenträgers herauszufinden, was er wissen muss. Im Augenblick sind der Colonel und ich – ältere und weisere, um nicht zu sagen verschlagenere Köpfe, die wir sind – bereits dahinter gekommen. Nun, junger Spencer, ist es als Teil Ihrer niemals endenden Bildung und Ausbildung Ihre Aufgabe, es auf eigene Faust herauszufinden. Und, darf ich hinzufügen, ohne vor der Gutsherrin auf Ihr Schwert zu treten, indem Sie zugeben, dass Sie es herausgefunden haben.«
»Das ist doch blödsinnig!«, begehrte Hawke auf.
»Nein, Spencer, das sehen Sie falsch«, sagte Mattingly erheblich ernster. »Auf eigene Faust etwas herausfinden, das müssen Sie tun. Und zwar wahrscheinlich für lange Zeit. Im Gegensatz zum Colonel und mir sind Sie prolongbehandelt. Sie werden die Gutsherrin wahrscheinlich noch jahrzehntelang begleiten, und Sie müssen lernen, das zu erfahren, was sie Ihnen niemals sagen wird. Und genauso wichtig ist zu lernen, wie Sie ihr die Privatsphäre lassen, während Sie sie verletzen.«
Hawke blickte ihn an, und Mattingly zeigte ein Lächeln, in das sich mehr als nur eine Spur von Trauer mischte.
»Sie hat keine Privatsphäre, Spencer. Nicht mehr. Und ganz wie ich sagte, ist sie nicht als Gutsherrin aufgewachsen. Jemand, der mit dem Amt geboren wird, hat von Anfang an keine echte Privatsphäre. Was er niemals besaß, wird er nie vermissen, jedenfalls nicht sehr. Die Gutsherrin jedoch hat einmal Privatsphäre gekannt, und sie gab sie auf, als sie ihr Gut annahm. Ich bezweifle, ob sie jemals zugegeben hat, welch hohen Preis sie dafür bezahlt hat. Wenn wir das Spiel spielen und ihr gleichzeitig wenigstens die Illusion lassen können, dass sie noch ein bisschen Privatsphäre hat, dann ist das eben auch ein Teil dessen, was man beherrschen muss, wenn man sich als Waffenträger bezeichnen möchte. Auch wenn es manchmal vielleicht dumm oder gar ›blödsinnig‹ erscheint, es ist weder das eine noch das andere. Nicht im Geringsten. Vielmehr gehört es zu meinen größten Privilegien als ihr persönlicher Waffenträger, dieses Spiel mit ihr spielen zu dürfen.«
»Haben Sie die Herzogin von Harrington erreichen können, Adam?«
»Jawohl, Sir. So ähnlich.«
Admiral Sir Thomas Caparelli blickte von dem Bericht auf, der vor ihm lag, und sah den schlaksigen, hellhaarigen Captain Senior-Grade, der vor ihm stand, fragend an.
»Würden
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