Honor Harrington 5. Im Exil
Marchant eine Gewissensentscheidung zu diktieren. Die Sakristei hat ihn im Irrtum gefunden, aber wenn er sich dem Urteil der Kirche nicht guten Gewissens anschließen kann, dann steht ihm seine Weigerung gut zu Gesicht. Belange des persönlichen Glaubens sind die schwersten Prüfungen, die Gott Seinen Kindern auferlegt – auch jenen, die Seiner Kirche dienen –, und dessen ist sich die Sakristei nur zu bewußt. Dennoch hat die Vaterkirche die Pflicht, einen Irrtum bloßzustellen, wenn sie ihn erkennt.«
»Die Sakristei beugt ihr Haupt vor der politischen Zweckdienlichkeit«, erwiderte Burdette dumpf, »und sie, nicht Bruder Marchant, hat sich gegen Gottes Willen gestellt.« Die Stimme des Gutsherren wurde schroffer und tiefer, und seine Augen funkelten. »Diese Fremdweltlerfrau – diese Metze , die außerhalb des heiligen Bundes der Ehe Unzucht treibt und uns alle mit ihrem gottlosen Beispiel verdirbt – ist vor den Augen Gottes eine Abscheulichkeit! Sie und alle, die unsere Welt in einen Abklatsch ihres degenerierten Königreichs verwandeln wollen, sind Diener Satans, und ausgerechnet die Sakristei läßt sich herbei, diese unreinen Lehren unter den wahren Kindern Gottes zu verbreiten!«
»Ich werde nicht mit Ihnen über Ihren Glauben diskutieren, Mylord. Wenn Sie mit dem Beschluß der Sakristei nicht einverstanden sind, so ist es Ihr uraltes verbürgtes Recht – als Gutsherr und als Kind der Vaterkirche –, Ihren Fall dem Gremium vorzutragen. Und es ist die Pflicht der Sakristei als gewählte und ordinierte Diener der Vaterkirche, Ihre Einwände zurückzuweisen, wenn sie ihrem Verständnis des Gotteswillens widersprechen.« Burdette verbiß sich eine verächtliche Bemerkung, und Allman fuhr in unverändert leidenschaftslosem Ton fort: »Die Sakristei bedauert, Ihrer Petition nicht stattgeben zu können, aber die Ältesten dürfen für niemanden von ihrem gemeinsamen Verständnis des Gotteswillens abweichen. Nicht einmal für Sie, Mylord.«
»Aha.« Burdette musterte den Diakon von Kopf bis Fuß mit einem Blick, der härter und verächtlicher war als je zuvor. »Also befehlen mir Sakristei und Protector, Bruder Marchant aller Ämter zu entkleiden, zu denen Gott ihn berufen hat?«
»Die Sakristei und der Protector haben ihn bereits aus den Ämtern entfernt, die ihm von Gott und der Vaterkirche anvertraut worden waren«, verbesserte Allman den Gutsherrn, ohne mit der Wimper zu zucken. »Bis er den Bruch zwischen seinen Lehren und denen der Vaterkirche geschlossen hat, muß jemand anders für ihn diese Pflichten wahrnehmen.«
»Das sagen Sie«, entgegnete Burdette kalt. Allman gab keine Antwort, und der Gutsherr fletschte die Zähne. »Nun gut, Diakon, nun übermitteln Sie meine Botschaft. Sagen Sie der Sakristei, daß sie vielleicht einen wahrhaftigen Mann Gottes von der Kanzel jagen und öffentlich dafür demütigen kann, daß er treu zum Glauben hält, aber ich lasse mich nicht nötigen, sich ihrer Sünde anzuschließen. In meinen Augen hält Bruder Marchant weiterhin sämtliche Ämter, von derer man ihn fälschlicherweise beraubt hat. Ich werde keinen Ersatz nominieren.« Burdettes kalte blaue Augen blitzten auf, als endlich Wut über das Gesicht des Diakons zuckte. Allman ballte hinter dem Rücken die Fäuste und rief sich ins Gedächtnis, daß er ein Mann Gottes und Burdette ein Gutsherr sei. Die heftige Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, verbiß er sich. Einen Augenblick lang wartete er, bis er sicher sein konnte, die Kontrolle über seine Stimme wiedererlangt zu haben, dann sprach er so gelassen, wie er nur konnte:
»Mylord, ganz ungeachtet Ihrer Differenzen mit der Sakristei haben Sie gewisse Pflichten. Ob sich die Sakristei nun im Irrtum befindet oder nicht, haben Sie als Herrscher kein Recht, die Ämter Seiner Kirche unbesetzt und Seine Kinder des geistlichen Beistands zu berauben.«
»Das hat die Sakristei zu verantworten, denn sie hat den Mann meiner – und Gottes – Wahl aus diesen Ämtern entfernt, Diakon. Und was mich betrifft, so bewältige ich genau wie die Sakristei die Aufgabe, mich so zu verhalten, wie ich es für meine von Gott auferlegte Pflicht halte. Wie Sie ganz richtig sagten, bin ich ein Gutsherr, und als solcher bin ich ebenso Stellvertreter des Herrn wie die Sakristei. Sich Gottes offensichtlichem Willen zu widersetzen ist für jeden eine Sünde, ganz besonders aber für jemanden, der den Schlüssel des Gutsherrn trägt – und ich weigere mich, eine Sünde zu begehen.
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