Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
daß er unsere Prinzipien gegen uns verwendet. Über Moral macht er sich keine Gedanken, und was er bereits auf dem Gewissen hat, trägt ihm die Todesstrafe ein, ganz gleich, wem er in die Hände fällt. Ich habe ihm einen Ausweg angeboten, aber er verlangt nach einem Sieg auf ganzer Linie, anstatt eine Gefängnisstrafe hinzunehmen. Die Vergeltung, die ihn am Ende erwartet, schreckt ihn nicht ab, denn so weit denkt er gar nicht. Von seiner Warte aus hat er nichts zu verlieren, warum also sollte er nicht tun, was immer ihm gefällt?«
Sie lehnte sich zurück und drückte Nimitz an die Brust. Schweigen senkte sich über den Besprechungsraum. Den anderen wurde klar, wie recht sie hatte.
»Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, ihn von seinem Sender zu trennen«, murmelte sie. »Eine Möglichkeit, ihn von dem Sender zu trennen, damit wir ein für allemal mit ihm abrechnen können. Irgendeine …«
Sie verstummte und schloß die Augen fast ganz. Cardones setzte sich aufrechter hin und blickte sie gespannt an, während ihre Gedanken sich überschlugen, dann warf sie einen Blick in die Runde. Die anderen Offiziere wirkten beinahe genauso ungeduldig, nur Warner Caslet blickte beinahe so konzentriert drein wie Honor.
»Ihn von dem Sender trennen …« murmelte der Havenit. Honors Blick richtete sich auf ihn. Er wiegte bedächtig den Kopf. »Das können wir natürlich nicht. Aber was wäre denn, wenn wir ihn und seinen Sender von dem Planeten trennten?«
»Genau«, sagte Honor. »Wir müssen ihn außer Reichweite der Minen bringen und dann mit ihm abrechnen.«
»Er könnte immer noch einen Zeitzünder zurücklassen«, überlegte Caslet. Es war geradezu, als sei er mit Honor allein. Die anderen konnten hören, was Honor und Caslet sagten, aber die beiden schienen auf einer wesentlich tieferen Ebene zu einem Verständnis gelangt zu sein, mit dem sie sich allen anderen entzogen.
»Mit Zeitzündern werden wir fertig«, entgegnete Honor. »Wir wissen, von wo aus Warnecke sendet. Er würde den Zünder nirgendwo zurücklassen, wo er jemand anderem in die Hände fallen könnte, also müßte er im Hauptquartier sein. Und das können wir notfalls aus der Umlaufbahn eliminieren.«
»Das Hauptquartier liegt aber in einer Stadt«, wandte Caslet ein.
»Das ist richtig, aber wenn Warnecke einen Zeitzünder benutzt, würde er ihn so einstellen, daß die Explosion erst erfolgt, wenn er so weit von Sidemore entfernt ist, daß wir ihn nicht mehr kurz vor der Transition einholen können. Sein Tender ist vermutlich noch langsamer als die Wayfarer . Und selbst wenn er zwohundert Ge erreichte – was nicht der Fall sein wird –, würde er immer noch über vier Stunden bis zur Hypergrenze brauchen. Unsere LACs beschleunigen mit fast sechshundert Ge. Also könnten wir den Tender drei Stunden lang aus dem Stand verfolgen und einholen.«
»Drei Stunden, um einen Zeitzünder zu finden, den er überall in seinem Hauptquartier versteckt haben könnte?« protestierte Caslet.
»Wir müssen ihn gar nicht finden«, entgegnete Honor mit kalter Stimme. »Die Stadt ist zwar ziemlich groß, aber sein Hauptquartier liegt am Rand. Wenn es sein muß, könnten wir den Stadtrand evakuieren und das Hauptquartier mit einem kinetischen Punktangriff ausschalten. Druck- und Hitzewelle werden in der Stadt noch immer Verwüstungen anrichten, aber diese Explosion wäre sauber, und wir müßten niemanden töten. Außerdem läßt Warnecke sehr viele Leute zurück. Angenommen, wir sagen ihnen, daß es Sprengladungen gibt? Dann bieten wir ihnen lebenslänglich an, wenn sie den Zeitzünder finden, ihn deaktivieren und an uns übergeben … und drohen damit, daß wir in dem Fall, daß er ausgelöst wird, alle Überlebenden exekutieren. Wenn ihr ›furchtloser‹ Anführer sie erst einmal im Stich gelassen hat, werden die Leute sich überschlagen, den Zünder für uns zu finden.«
»Beides riskant, aber vermutlich haben Sie recht«, stimmte Caslet zu. »Aber wie bringen wir ihn dazu, daß er den Planeten überhaupt verläßt? Er mag geistesgestört sein, aber er ist auch schlau und wird auf keinen Vorschlag hereinfallen, der nicht wenigstens gangbar wirkt.«
»Die Signalanlagen«, sagte Honor leise. »Die Signalanlagen dieses Tenders. Sie sind der Schwachpunkt in dem Haar, an dem er sein ›Damoklesschwert‹ aufgehängt hat.«
»Aber natürlich!« Caslets Augen leuchteten auf. »Sein Handgerät besitzt nicht die nötige Reichweite. Sobald er mehr als ein paar
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