Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
können. Und selbst wenn nicht, werden bis dahin genügend Q-Schiffe fertiggestellt sein, um den Unruhestiftern dort auf den Pelz zu rücken. Auf jeden Fall hat die Admiralität freie Hand, Ihnen nach einer angemessenen Zeitspanne andere Pflichten zuzuteilen, wenn Sie erst einmal wieder zurück im aktiven Dienst sind. Da das Oberhaus alle außerplanmäßigen Beförderungen genehmigen muß, wird es unmöglich sein, Sie in den Dienstgrad zu befördern, den Sie, wie Sie bewiesen haben, bewältigen können. Aber nichts und niemand kann die Admiralität davon abhalten, Ihnen die Autorität zuzuteilen, die Sie verdient haben.«
»Kurz gesagt, Mylord: Ihrer Meinung nach sollte ich annehmen.«
White Haven nickte nach kurzem Zögern.
»So ist es wohl«, seufzte er. »Es geht mir gegen den Strich – mir wäre es viel lieber, wenn Sie eins meiner Geschwader in der Sechsten Flotte kommandieren würden –, aber angesichts der Umstände sieht es nach außen hin so aus, als wären Sie es, die eine Schuld zu bezahlen hat. Das ist nicht fair, es ist sogar verdammt unfair. Aber so und nicht anders ist es eben.« Er zuckte unbehaglich die Achseln. »Wie ich schon sagte, niemand würde es Ihnen verübeln, wenn Sie sich entschlossen, hier zu bleiben. Gewiß werden Protector Benjamin und Hochadmiral Matthews genau das von Ihnen erwarten, von den Leuten auf Ihrem Gut einmal ganz abgesehen. Aber ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein, Mylady. Wir brauchen Sie ebenso dringend wie Grayson, wenn auch in anderer Hinsicht. Wir stehen gegen die stärkste Flotte im gesamten Weltall, auf die Tonnage bezogen, und kämpfen ums nackte Überleben. Piraten in Silesia zu jagen erscheint nicht gerade von übergeordneter Bedeutung für das Sternenkönigreich und ist es auch sicher nicht. Doch offenbar ist das der Preis, den wir für einige Monate entrichten müssen, um Sie zurückzubekommen und dort verwenden zu dürfen, wo wir Sie wirklich brauchen. Und die Admiralität ist zu diesem Opfer bereit. Die Frage ist nur, ob Sie sich Ihrerseits dafür hergeben wollen.«
Honor blickte ihn nachdenklich an und strich Nimitz sanft durch das weiche Fell. Sie spürte den ‘Kater schnurren, während sie ihn an sich gedrückt hielt. Noch immer brannte in ihr die kalte Wut über die Aussicht, eine Verwendung zu akzeptieren, bei der es sich in mancherlei Hinsicht um eine vorsätzliche Beleidigung handelte, aber trotzdem wußte sie, daß White Haven recht hatte. Er bat sie gerade, das Kommando über ihr eigenes Superdreadnoughtgeschwader und ihre Position als zweithöchster Offizier einer expandierenden Navy aufzugeben, um ein unzureichendes Geschwader aus umgebauten Frachtern zu übernehmen, das im strategischen Hinterland operieren sollte, und doch hatte er recht. Die Opposition besaß die Macht, genau das von ihr zu verlangen, als Preis dafür, daß Honor ihren rechtmäßigen Platz in der Navy ihrer Geburtsnation wieder einnehmen und ihre berufliche Befähigung rehabilitieren könnte.
Lange saß sie schweigend da, dann seufzte sie.
»Ich will nicht ja sagen, Mylord, aber auch nicht nein. Noch nicht. Aber ich werde die Angelegenheit mit Protector Benjamin und dem Hochadmiral diskutieren. Ich weiß, daß Sie auf Ihren Kommandoposten zurückkehren müssen, aber wenn Sie es einrichten könnten, einen Tag lang als mein Gast hier zu bleiben, würde mich das sehr freuen. Ich möchte noch einmal mit Ihnen über Ihrer Majestät Angebot reden, sobald ich den Protector und Admiral Matthews gesprochen habe.«
»Aber natürlich, Mylady.«
»Vielen Dank, Sir. Und nun«, sie erhob sich, »wenn Sie und Captain Henke sich zum Abendessen zu mir gesellen wollen, würde mein Koch Sie gern mit echt graysonitischer Küche bekannt machen.«
4
Ein Ruck lief durch den graysonitischen Leichten Kreuzer Nathan , als der starke Traktorstrahl ihn erfaßte. Der Rudergänger schaltete die Manövrierdüsen ab, mit deren Hilfe er in den vergangenen achtzehn Minuten das Schiff bewegt hatte, und rollte den Kreuzer mit Hilfe der Kreisel herum, während Ihrer Majestät Raumstation Vulcan den hammerförmigen Bug der Nathan beharrlich in die gewaltige Andockbucht zerrte. Der Kommandant des Kreuzers saß schweigend in seinem Kommandosessel und bezähmte seinen Drang, dem Rudergänger über die Schulter zu schauen; den Vorgang jedoch beobachtete er mit erheblich mehr Anspannung als gewöhnlich. Nicht nur manövrierte sein Schiff unter den Augen einer der bedeutendsten Raumflotten der Galaxis, er
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