Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
hatte, als man sie für den kommenden Einsatz aussuchte.
»Nun gut«, sagte Honor knapp. »Keiner von uns hat jemals ein Q-Schiff kommandiert, und bisher hat kein Raumoffizier ein Schiff mit einer Armierung wie der unsrigen befehligt. Wir müssen durch Erfahrung lernen, und die Admiralität wird auf der Basis unserer Operationen eine Doktrin für die anderen Trojaner formulieren. Deshalb sollten wir jetzt gleich damit beginnen, uns die Köpfe zu zerbrechen. Zunächst müssen wir uns überlegen, wie wir die LACs am besten einsetzen.«
Die meisten ihrer Untergebenen zogen Memopads hervor und stöpselten sie in die Terminals an ihren Plätzen ein.
»Als größte Schwierigkeit erscheint es mir, die LACs schnell genug ins All zu bringen, ohne sie gleichzeitig zu früh auszusetzen«, sagte Honor. »Wir müssen herausfinden, wie lange ein Alarmstart dauert, und ich werde versuchen, für uns Gelegenheit zu einer Übung gegen einige unserer Kriegsschiffe zu erwirken. Das sollte uns einen Maßstab verschaffen, wie leicht unsere Beiboote zu entdecken sind und ob wir sie auf der Seite unserer Impellerkeile verstecken können, die dem Feind abgewandt ist. Danach müssen wir erarbeiten, wie wir die LACs am besten in unsere Feuerleitung einbinden, und da es uns an anständigen Seitenschilden und an Panzer mangelt, müssen sie uns auch bei der Nahbereichsabwehr unterstützen. Alice, Sie entwerfen bitte eine Reihe von Simulationen, in denen …«
Finger tippten auf die Memopads, während Captain Lady Dame Honor Harrington ihre Gedanken darlegte und sich sammelte, um der bevorstehenden Herausforderung entgegenzutreten.
8
Electronics Technician First Class Aubrey Wanderman war fast so jung, wie das Prolong ihn aussehen ließ. Braunhaarig war er und schlank, besaß noch die halbfertige Drahtigkeit der Jugend und hatte mitten im ersten Semester sein Physikstudium an der Mannheim-Universität abgebrochen, um sich zur Flotte zu melden. Sein Vater, ein Ingenieur, hatte gegen die Entscheidung des Sohnes Einspruch erhoben, aber es war ihm nicht gelungen, Aubrey davon abzubringen. Und obwohl James Wanderman nach wie vor den übertriebenen Ausbruch von patriotischer Inbrunst bei seinem Sohn bedauerte, wußte Aubrey doch, daß der Vater im Grunde seines Herzens stolz auf ihn war und es nur nicht zeigen wollte. Und sogar er kann sich über die Ausbildung, die ich bei der Navy bekommen habe, nicht beschweren , dachte er bissig. Für die Intensivkurse würde er bei jeder größeren Universität wenigstens drei Jahre angerechnet bekommen, und der Umstand, daß er (beim bestmöglichen Ergebnis von 4,0) mit einer Note von 3,93 abgeschlossen hatte, erklärte den Streifen für den Techniker 1. Klasse auf seinem Oberarm.
Aber so erfreulich der Abschluß auch war, Aubrey hatte fast zwei Jahre gebraucht, um ihn zu erlangen. Natürlich wußte er, daß eine moderne Flotte ausgebildetes Personal braucht und kein unfähiges Kanonenfutter, aber ihm war es vorgekommen, als wollte die Ausbildungszeit niemals zu Ende gehen; als die Gefechtsberichte von Nightingale und Trevors Stern nach Manticore zurückkamen, hatte er sich vage schuldig gefühlt. Er freute sich auf den Borddienst – nicht ohne Furcht, denn er hielt sich nicht gerade für einen der Mutigsten, aber neben der Furcht verspürte er auch einen gewissen Eifer. Ursprünglich hatte man ihn für ein Wallschiff vorgesehen. Das wußte er genau, denn Chief Garner hatte ihn einen Blick auf die vorläufige Versetzungsliste werfen lassen.
Nur kam er nun doch nicht an Bord eines Großkampfschiffs – nicht einmal in ein richtiges Kriegsschiff. Vielmehr hatte man ihn aus dem regulären Navypersonal abgezogen und einem bewaffneten Frachter zugeteilt.
Diese Enttäuschung hatte ihn am Boden zerstört. Über »Handelskreuzer« riß jeder Witze! Sie verbrachten ihre Zeit auf langen, öden, sinnlosen Patrouillen, die zu unwichtig waren, um ein echtes Kriegsschiff darauf zu verschwenden, oder zuckelten von einem Sonnensystem zum nächsten, wobei sie Konvois eskortierten, die keinen echten Geleitschutz brauchten – und anderswo fochten andere den Krieg. Aubrey Wanderman hatte doch nicht sein Zivilleben unterbrochen und sich freiwillig zur Navy Ihrer Majestät gemeldet, nur um in die Vergessenheit abgeschoben zu werden!
Aber eins wußte Aubrey bereits: Wenn die Navy einen Befehl erteilte, dann erwartete sie, daß man ihm Folge leistete. Er verspürte melancholischen Neid auf die alten Kämpen, die schon
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