Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
vier Pfoten fest auf den Boden stemmte; den Oberkörper bog es nach hinten, um nach dem Baumkater zu schlagen und zu schnappen, doch es erwischte ihn nicht mit seinen wütenden Streichen und Bissen: Der Baumkater hatte seinen Blitzangriff bereits wieder abgebrochen, war am Rückgrat des Gegners entlanggeflitzt und auf einen anderen Baumast gesprungen. Der Hexapuma schenkte Stephanie keine Beachtung mehr. Das Raubtier wirbelte herum und stürzte sich auf den Baum, in dem der Baumkater wartete, erhob sich auf die Hinterbeine, während es Vorder- und Mittelpranken ausbreitete und die Krallen in den dicken Stamm schlug. So weit der Hexapuma nur konnte, zog er sich hoch, krallte nach dem Baumkater und knurrte. Plötzlich begriff Stephanie, was der Baumkater vorhatte:
Er versuchte den Hexapuma abzulenken . Der Baumkater wusste genau, dass er das große Raubtier nicht töten oder auch nur merklich schwächen konnte. Also fügte er ihm Schmerzen zu, um es wütend zu machen, wütend auf ihn, sodass er es von ihr weglockte. Bislang schien seine Rechnung aufzugehen, doch war es ein hoffnungsloses Spiel, das der Baumkater irgendwann verlieren musste, denn er würde immer wieder angreifen und dem Hexapuma Nadelstiche versetzen müssen. Bis in alle Ewigkeit konnte er damit kein Glück haben.
Grimmige Freude durchlief Klettert-flink, wie er sie sich zuvor nicht hatte vorstellen können. Diesen Kampf zu gewinnen war unmöglich, und doch eiferte er danach, ihn zu führen. Er wollte diesen Kampf; der blutrote Geschmack seiner eigenen Wut brannte in ihm. Forschend beobachtete er, wie der Todesrachen am Baumstamm hochsprang, und stimmte seine Antwort genau darauf ab. Gerade als der Todesrachen am höchsten Punkt seines Sprung anlangte, stieß Klettert-flink hinab und zerschlitzte dem Raubtier die Schnauze und ein Ohr. Der Hexapuma heulte auf und schlug nach dem Baumkater, doch Klettert-flink konnte den rachsüchtigen Vorderpranken erneut ausweichen und sprang zur Seite.
Der Todesrachen setzte ihm nach, und wiederum stellte er sich dem Räuber. Wie in einem mörderischen Tanz sprang Klettert-flink zwischen den Bäumen umher; er stellte Rasanz, Behändigkeit und List gegen die Verschlagenheit und zermalmende Kraft des Todesrachens. Dieser Tanz aber konnte nur ein einziges Ende nehmen, und doch dehnte er ihn weit länger aus, als er es anfangs für möglich gehalten hatte.
»!«
Als der Baumkater den Fehler machte, den er unweigerlich irgendwann begehen musste, schrie Stephanie auf, doch ihr Leugnen war sinnlos. Vielleicht glitt er aus, vielleicht war er schon müde, sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass in ihr eine wilde, unwirkliche Hoffnung aufgekeimt war, als der Kampf sich immer länger hinzog. Nicht die Hoffnung, dass der Baumkater doch noch gewinnen könnte, sondern dass er nicht verlieren würde. Obwohl sie sich diese Hoffnung gestattete, hatte sie immer gewusst, dass sie vergeblich wäre, doch die Plötzlichkeit, mit der das Ende kam, traf sie mit der Gewalt eines Hammerschlags.
Nur um den Bruchteil einer Sekunde zu spät war der Baumkater, er zögerte nur einen Augenblick zu lang, bevor er nach der Schulter des Hexapumas schlug, und so erwischte ihn der wilde Hieb einer Mittelpranke. Wie Krummsäbel glitzerten die zehn Zentimeter langen Krallen des Raubtiers, und als der brutale Schlag den Baumkater traf, hörte – und spürte – Stephanie seinen qualvollen Schrei.
Es war nicht einmal ein Volltreffer, aber trotzdem genügte er, um den Baumkater vom Nacken des Hexapumas loszureißen und wie eine willenlose Puppe gegen einen Baum zu schleudern. Beim Aufprall schrie er wieder. Als zerschmetterter, blutiger Pelzball rutschte er zu Boden, und der Hexapuma erhob sich auf die Hinterbeine, verharrte und brüllte vor Wut und Genugtuung. Dann senkte er wieder alle Pfoten auf den Boden und duckte sich zum Sprung – um seinen winzigen Feind zu zerfetzen, zu zerreißen, zu zermalmen.
Stephanie beobachtete das Raubtier und begriff, was es vorhatte – und sie konnte es nicht aufhalten. Der Baumkater aber, ihr Baumkater hatte gewusst, dass er den Hexapuma nicht daran hindern konnte, sie zu töten, doch hatte er sich dennoch nicht von dem Versuch abhalten lassen. Eigentlich wusste Stephanie, das, was sie tun würde, nur eine pathetische Gebärde wäre , nicht mehr als das Zischen und Fauchen eines Kätzchens in der Sekunde, bevor hungrige Kiefer es umschlossen, doch sollte sie etwa noch nicht einmal zu solch einer
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