Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
Schwätzchen mit einem Kasernendiener und ein wenig Feilarbeit, mehr war dazu nicht nötig.«
Ein Dreiklang-Signal ertönte an der Kommandokonsole. »Alle Systeme bereit, Sir«, sagte Harpe.
»Dann ist es Zeit für meine kleine Zeremonie«, sagte Nessler. Er wollte die Uniform über eine Sessellehne legen, Beresford nahm sie ihm vorher ab.
Nessler ließ einen doppelten Glockenton erklingen, dann berührte er einen großen gelben Sensor. Mincio hörte ein leises Brummen aus dem Intercomlautsprecher über der Schottluke.
»Hier spricht der Kommandant«, sagte Nessler. Seine Stimme dröhnte aus dem Intercom, ohne von Rückkopplung verzerrt zu werden. Das interne Kommunikationssystem der Colonel Arabi funktionierte wieder tadellos. »In einem Moment brechen wir auf, doch zuvor möchte ich im Namen des Sternenkönigreichs von Manticore formell Besitz von diesem Schiff ergreifen.« Er nahm eine Hundert-Milliliter-Flasche aus der Brusttasche seines Jacketts. »Mit diesem Wein aus der Kellerei Greatgap«, sagte er, »taufe ich dich auf den Namen Ihrer Majestät Sternenschiff Ajax .«
In einem Bogen schleuderte er die Flasche aufs Deck, wo sie zerbrach. Das Intercom übertrug auch das Klirren.
»Möge sie diesem Namen stets Ehre bereiten!«, rief Harpe.
Aus den benachbarten Abteilungen ertönte ausgelassenes Jubeln. Der Lautstärke nach zu urteilen, stammte es zum Großteil von den Melungeonern.
»Kurs ist eingegeben«, sagte Nessler. »Bringen Sie uns raus, Bosun.«
Der Kommandant wirkte ein wenig verlegen, als er nach der Schiffstaufe zu Mincio ans Heckschott der Brücke trat. An den vielen unbesetzten Konsolen sollten eigentlich mehrere Offiziere arbeiten; stattdessen bildeten Mincio, Nessler, Beresford und Harpe zusammen mit zwei Melungeonern die gesamte Brückencrew. In einem Dutzend anderer Abteilungen verrichteten Mannschaften und Unteroffiziere Aufgaben, die normalerweise von einem Offizier wenigstens beaufsichtigt werden mussten …
Doch das war auf der Colonel Arabi vermutlich ohnehin nie geschehen. Die augenblickliche Crew wusste, was sie tat, und ein Melungeoner hatte bereits die Weinlache und die Scherben beseitigt, ohne dass jemand ihn dazu auffordern musste.
»Ich war nie ein guter Astrogator«, murmelte Nessler.
»Wenn Orloff Hope finden konnte«, entgegnete Mincio, »dann finden Sie Air. Sie haben gute Leute an Bord. Wenigstens ein paar.«
»Wissen Sie, das ist eigentlich das Merkwürdigste. Die Melungeoner schuften schwerer, als ich Matrosen je habe arbeiten sehen. Ich glaube, sie wollen den Wichtigtuern von Manticore zeigen, dass auch sie etwas taugen. Und unsere Leute arbeiten doppelt so schwer, um zu beweisen, dass Manticoraner sich mit Recht so überlegen geben.«
Die Ajax bebte, als die Schiffssysteme nacheinander in Betrieb gingen. Gelegentlich war ein Fluch zu hören, manchmal sogar das Dröhnen von Hammerschlägen auf widerspenstigen Gehäusen; offenbar war nicht jedes Gerät zur Zusammenarbeit bereit. Trotzdem zeigte die Hauptkontrolltafel immer mehr grüne Lichter.
Beresford trat zu ihnen. »Soll ich Ihre Uniform in Ihre Kajüte hängen, Captain?«, fragte er.
»Ich … ja, das wäre keine schlechte Idee«, sagte Nessler. Und zu Mincio sagte er: »Wir sollten uns vielleicht setzen. Das Manöver könnte etwas holprig ablaufen. Das da …« – er wies auf eine Konsole auf der anderen Seite der Brücke – »ist während der Marschfahrt die Station des Ersten Offiziers. Obwohl es wahrscheinlich keine große Rolle spielt.«
»Natürlich«, sagte Mincio. Was mochte ein Erster Offizier tun? Außer eine schwarze Uniform zu tragen? »Eine Frage, Nessler«, sagte sie. »Wie kommen Sie ausgerechnet zu diesem Namen für das Schiff? Ajax , meine ich.«
»Nun, ich hatte Befehl, an Bord von HMS Ajax den Posten des Sechsten Leutnants zu übernehmen, als ich Nachricht vom Tod meines Vaters und meiner Schwester erhielt«, antwortete Nessler, ohne ihr in die Augen zu sehen. »Ich quittierte natürlich sofort den Dienst.« Er räusperte sich. Den Blick aufs Deck gesenkt, fuhr er fort: »Drei Wochen später ging die Ajax verloren. Keine Überlebenden. Merkwürdig, wie es manchmal kommt, finden Sie nicht auch?«
Eine Glocke läutete dreimal gewichtig. Mincio ging, die Uniform noch immer in der Hand, an ihre Station. »Ja, nicht wahr?«, erwiderte sie.
Und sie fragte sich, ob das Schicksal nun plane, sich auch noch den Letzten von der alten Ajax zu holen, und mit ihm all seine augenblicklichen
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