Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
das Hafenbüro«, knurrte Dismore, was ihr sofort ein besseres Gefühl gab. »Wahrscheinlich kennen diese Landeier so was gar nicht.«
»Genau«, sagte Mincio, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte mit einer Gangart, von der sie hoffte, dass sie militärisch wirke, auf das Gebäude zu. Dismore und Kapp gingen zu ihren Seiten.
Mincios kleine Eskapade war bewaffnet, und zwar mit Jagdwaffen, die man bei der Durchsuchung der melungeonischen Offiziersquartiere gefunden hatte. Zum Glück wurde auf Melungeon das Waidwerk mit Gewehren verrichtet, die man auf den meisten anderen Planeten als Infanteriewaffen bezeichnet hätte. Jedenfalls hätte keine Gesellschaftsform, die Mincio angenehm wäre, jemals gestattet, dass man bei der Jagd auf ziegengroße Pflanzenfresser die großkalibrigen Pulsergewehre einsetzte, die ihre Eskorte nun führte.
Den Eingang zum Hauptquartier bewachte ein Trupp Protektoratsgendarmen. Besonders aufmerksam wirkten die Leute nicht, doch immerhin standen sie auf, als sie sahen, dass eine bewaffnete Gruppe Uniformierter sich näherte.
»Lieutenant Commander Mincio, Royal Manticoran Navy, wünscht den Protektoratsbeamten so schnell als möglich zu sehen!«, sagte Mincio in ihrem kühlsten, ungerührtesten Tonfall. Nessler gegenüber hatte sie ihn nur ein einziges Mal angeschlagen, und zwar hatte er eine lateinische Textstelle, in der es um zwanzig ( viginti) Soldaten ging, mit ›jungfräuliche Soldaten‹ übersetzt.
»Ich hab keinen Befehl, irgendjemanden, der hier einfach so aufkreuzt, zu Flowker zu bringen«, sagte der Befehlshabende. »Vielleicht sagen wir ihm Bescheid, wenn wir Dienstschluss haben.«
Seine Untergebenen lachten hämisch. Mincio konnte nicht sagen, ob der Kerl es auf Schmiergeld abgesehen hatte oder sich nur deswegen quer stellte, weil sein Leben nicht so ablief, wie er es sich wünschte. Viele Menschen schienen jedenfalls das Bedürfnis zu empfinden, ihr Elend weiterzugeben. Als Mincio an Bord der Pinasse gegangen war, hatte Nessler sie mit Geldmitteln versehen. Trotzdem wagte sie es nicht, einen Bestechungsversuch zu begehen, denn das hätte nicht zu der Befehlsgewalt gepasst, die sie sich anmaßte.
»Hören Sie zu, Sie Niete.« Mincio schrie nicht, doch ihre Stimme klang wie ein Meißel auf Stein. »Im Orbit über Ihnen ist ein Dreadnought. Jeden Augenblick, den Sie hier veraasen, ist ein Augenblick weniger, den Officer Flowker Zeit hat, seine Entscheidung zu treffen – und eins dürfen Sie mir glauben: dass er genau erfahren wird, wem er das zu verdanken hat!«
Der Wachhabende trat einen Schritt zurück. Offenbar glaubte er, Mincio sei wütend. Hätte man Mincio nach ihren Gefühlen gefragt, so hätte sie ihre Empfindung wohl eher als Entsetzen bezeichnet – als Furcht, an diesem entscheidenden Punkt zu versagen und die Chancen all derer, die sich auf sie verließen, zu zerstören. Gegen Missverständnisse zu ihren Gunsten hatte sie daher nicht das Geringste einzuwenden.
»Allen, bring den Lieutenant Commander zu Flowkers Suite«, sagte der Kerl zu einer seiner Untergebenen, dann blickte er die Manticoraner hasserfüllt an. »Die beiden anderen bleiben hier, und sie liefern ihre Waffen ab.«
»Willst du’s drauf ankommen lassen, Bubi?«, fragte Dismore freundlich.
Allen führte Mincio in raschem Tritt über den Hof. Anscheinend wollte sie möglichst schnell möglichst große Entfernung zwischen sich und die beiden bewaffneten Gruppen am Tor legen. Mincio weigerte sich, darüber nachzudenken. Kapp und Dismore waren viel besser als sie dazu geeignet, mit dieser Situation umzugehen, und sie hatte wirklich genug eigene Sorgen.
Das Gebäude – ein Liga-Standardentwurf, vermutete sie – zeigte in seinen überwölbten Eingängen und Kassettendecken maurische Einflüsse. Zu beiden Seiten des Hofes sah Mincio Menschen in Büros sitzen, doch nur die Hälfte aller Schreibtische war besetzt, und niemand schien wirklich zu arbeiten.
In der Mauer, die dem Hofeingang gegenüberlag, gab es nur eine Tür. Die spitzbogigen Fenster zu beiden Seiten waren verhängt. Allen öffnete die Tür, und eine weitere Gendarmin blickte auf. In einen Sessel geflegelt, schaute sie sich gerade ein pornographisches Holovideo an.
»Sarge sagt, die hier soll zu Flowker«, meldete Allen. »Aber das hast jetzt du am Bein.«
Allen drehte sich um und warf im Gehen die Türe hinter sich zu. Die Gendarmin deutete mit dem Daumen auf den Durchgang neben ihr. »Was schert mich das Ganze?«, fragte
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