Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
Schlimmsten kommt, leben wir als Wissenschaftler durch unsere Arbeit weiter, nicht wahr?«
»Ich brauche nicht mitzukommen?«, vergewisserte Rovald sich. Ihre Tränen hatten Streifen durch den Schmutz gezogen, der unweigerlich an jeder Person haften blieb, die an Bord der Colonel Arabi war. »Ich soll hier nur arbeiten, solange das Schiff in der Umlaufbahn liegt?«
»Genau«, sagte Mincio. Und sie log nur vorläufig, denn sobald Nessler erfuhr, was in der Technikerin vorging, würde er sie keinesfalls mitnehmen wollen. Sie stand auf und winkte Rovald mit sich. »Aber ich glaube, wir sollten uns beeilen.«
»Klar«, entgegnete Rovald, als sie sich erhob. »Ich schätze, er ist im Generatorkontrollraum.«
Flugs verschwand sie in der Richtung, aus der Mincio gekommen war. Mincio folgte ihr langsamer und sann über die Menschen nach. Es fiel ihr nicht schwer zu verstehen, weshalb Rovald es vermeiden wollte, sich auf dieses Selbstmordkommando zu begeben. Schwieriger zu erklären war da schon, weshalb Mincio plante mitzukommen …
»Pinasse hat angedockt, Sir«, meldete Harpe. »In fünf Minuten ist sie entladen, dann sind wir bereit.«
In ihrem Kopf vollendete Mincio die Meldung: Bereit auszulaufen. Bereit, die Reise nach Air anzutreten. Bereit zu sterben, wie es aussah. Diese Vorstellung vermochte sie, so sehr sie es versuchte, einfach nicht aus ihrem Kopf zu verbannen, doch nun erschien es ihr längst nicht so furchterregend wie erwartet.
»Vielen Dank, Bosun«, antwortete Nessler. »Ich halte die Schiffstaufe ab, dann geht es los.«
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, drehte er sich Mincio zu und sagte: »Ich erwarte keine großen Schwierigkeiten mit Antrieb und Astrogationssystem. Schließlich ist sogar Orloff eine viel schwierigere Reise gelungen als der Katzensprung nach Air. Aber das einer Angriffswaffe Ähnlichste, was wir haben, besteht aus einem defekten Kutter mit einem neuen Antrieb, der für die Havies hoffentlich wie eine Rakete aussieht.«
»Wir haben doch Raketen«, wandte Mincio verblüfft ein. »Wenigstens zwei.«
»Nun, wir hatten zwo davon«, erwiderte Nessler. »Doch diese Raketen mussten wir in Täuschkörper umbauen, denn die Colonel Arabi hatte keine Täuschkörper an Bord. Unser eigenes Überleben muss ganz oben auf unserer Liste stehen, wissen Sie?«
Er grinste.
Wenn es uns darum ginge, wäre keiner von uns hier an Bord , dachte Mincio; aber vielleicht irrte sie sich doch? Gewiss war es leichter, sich in der Historik zurechtzufinden als im Leben.
Beresford kam durch das Panzerschott in die Brücke und brachte einen Kleiderbeutel, den er mit der linken Hand hoch hielt. »Rovald vergräbt sich glücklich und zufrieden mit Ms. deKyper in die Kristalle«, sagte er aufgeräumt. »Die Leute aus Kuepersburg schicken das hier für Sie und Ms. Mincio. Alle Ladys in der Stadt haben es mit eigenen Händen gemacht.«
»Sie sollten ebenfalls auf Hope bleiben, Beresford«, sagte Nessler leise.
»Nein, wirklich, Sir?«, fragte der Diener und zog den Reißverschluss des Beutels auf. »Das hab’ ich wohl falsch verstanden.« Er blickte seinen Herrn an. »Außerdem muss ich sowieso dafür sorgen, dass diese Navygestalten meine Kulis gut behandeln. Ich hab sie schließlich angeworben, deshalb bin ich für sie verantwortlich.«
Mincio zuckte zusammen, als er die Melungeoner als Kulis bezeichnete; trotz seines Chauvinismus merkte man ihm aber an, dass sie ihm nicht gleichgültig waren, und so ließ sie es unkommentiert durchgehen.
Beresford zog die Schutzhülle von den Kleidern. »Für Sie, Sir«, sagte er und reichte Nessler einen der Bügel. »Das haben die Ladys nach einem Bild geschneidert, auf dem Sie als Ensign zu sehen sind.«
»Gütiger Himmel!«, rief Nessler. »Aber das ist ja die schwarze Galauniform der Royal Manticoran Navy!«
»Jedenfalls sehr ähnlich, Captain Nessler, Sir«, sagte Beresford grinsend. Dann wandte er sich Mincio zu. »Und für Sie –«
»Ich bin kein Raumoffizier«, wehrte sie ab.
»Jetzt schon, Commander Mincio«, entgegnete Beresford und reichte ihr die zweite Uniform. »Ein richtiges Schiff braucht einen Ersten Offizier.«
Mincio rieb einen Ärmel ihrer neuen Uniform zwischen den Fingern. Der Stoff stammte nicht von Hope, aber wie Beresford gesagt hatte, war die Uniform einwandfrei handgeschneidert. Stirnrunzelnd blickte Nessler auf die Kragenabzeichen.
»Das sind früher mal Rangabzeichen der Gendarmerie gewesen«, erklärte der Diener. »Ein kleines
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