Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Stimme.
»Captain Tasco, soeben habe ich Commander Jaruwalski ihrer Pflichten entbunden«, sagte er gehässig, ohne den lodernden Blick vom Operationsoffizier zu nehmen. »Sie hat das Schiff zu verlassen – und zwar auf der Stelle. Sie stellen Ihr eine Pinasse, die sie zu einem der Evakuierungsschiffe bringt. Welches, ist mir egal. Kümmern Sie sich darum. Ach, und, Captain …« Er machte eine kurze Pause und verzog verächtlich die Lippen. »Wenn nötig, lassen Sie Commander Jaruwalski durch Colonel Wellerman unter Bewachung von der Hadrian entfernen.«
Das Com schwieg wenigstens zehn Sekunden lang. Dann …
»Sir«, fragte Tasco mit einer Stimme, die eine Spur zu ungerührt klang, »sind Sie sich da auch ganz sicher? Ich –«
»Todsicher, Captain«, sagte Santino eisig und nahm den Daumen von der Comleiste.
»Raus«, befahl er Jaruwalski klanglos, kehrte ihr den Rücken zu und wandte sich an den Rest seines Stabs, der ihn mit weißen Gesichtern anstarrte.
Auch der Operationsoffizier blickte ihn noch einen Moment lang an, dann musterte Jaruwalski nacheinander die anderen Offiziere. Keiner von ihnen wollte ihr in die Augen sehen. Sie war zum Außenseiter geworden, und ihre Karriere war binnen eines Augenblicks beendet. Später zählte es nicht, ob sie Recht hatte oder nicht; wichtig wäre dann nur, dass Santino sie wegen Feigheit von ihren Aufgaben entbunden hatte. Ihre Kameraden im Stab – ihre Freunde – vermieden es aufzusehen, als fürchteten sie, sich mit einem einzigen Blickkontakt anstecken zu können.
Sie wollte alle anschreien und Unterstützung von ihnen fordern, wollte verlangen, dass sie sich geschlossen Santinos Wahnsinn entgegenstellten. Doch das wäre sinnlos gewesen. Nichts, was sie sagte, konnte zu den anderen durchdringen, obwohl jeder wusste, dass Jaruwalski Recht hatte. Ihre Wut quoll so plötzlich aus ihr hervor wie Wasser aus einem zerbrochenen Krug. Sie riskierten lieber ihr eigenes Leben und das Tausender anderer, als sich Santinos Wut auszusetzen und ihrer eigenen Karriere zu schaden.
Noch eine Sekunde schaute Jaruwalski sie an und wusste im Grunde schon, dass sie niemanden von ihnen wiedersehen würde, dann drehte sie sich um und verließ schweigend die Abteilung.
Wenigstens scheint die Evakuierung plangemäß abzulaufen , dachte Lieutenant Gaines dankbar, während er durch die Personenröhre in den Beiboothangar von HMS Cantrip schwamm. Leider lief ansonsten wohl nichts nach Plan.
Er gelangte ans Röhrenende, packte die Haltestange und schwang sich ins interne Schwerefeld des Schweren Kreuzers.
»Gaines, Heinrich O., Lieutenant«, meldete er dem gehetzt wirkenden weiblichen Ensign, der an der Röhre wartete. Ihre Finger flogen über die tragbare Tastatur und speisten den Namen in den Schiffscomputer ein, der ihn mit der aktuellen Personalliste verglich, die vor dreiundzwanzig Minuten vom Computer der Orbitalbasis Drei übermittelt worden war.
Die Tastatur piepte augenblicklich, und der Ensign blickte über die Schulter den Lieutenant an, der als Hangaroffizier fungierte.
»Der Letzte, Sir!«, meldete sie. »Alles an Bord.«
Der Lieutenant nickte und beugte sich über sein Com.
»Das letzte Evakuierungsschiff ist unterwegs, Sir«, berichtete Captain Justin Tasco Admiral Santino. Er wusste, dass seine Stimme matt und unnatürlich klang, doch daran war nichts zu ändern. Er hatte versucht, Santino gut zuzureden, doch der Stationschef war ihm mit einer Heftigkeit ins Wort gefallen, die ebenso unerbittlich wie plötzlich gewesen war. Nun saß er in der Falle von Pflicht und Verantwortung, und zu wissen, dass Santinos Plan sträflich dumm war, half ihm kein bisschen.
»Gut«, sagte Santino und lächelte grimmig. Sein breites Gesicht füllte den Combildschirm völlig aus, der Tasco mit der Flaggbrücke von HMS Hadrian verband. Dann verblasste das Lächeln des Admirals. »Haben Sie das Mistst …« Er biss die Zähne aufeinander und holte tief Luft. »Commander Jaruwalski ist vom Schiff?«, verlangte er zu wissen.
»Jawohl, Sir«, antwortete Tasco hölzern. Zwei Jahre lang war er Vizeadmiral Hennesys Flaggkommandant gewesen und hatte in dieser Zeit eng mit Jaruwalski zusammengearbeitet. Aber er war nur ein Captain und Santino ein Admiral; die Kriegsartikel verboten ›Kommentare, die dem Ansehen eines Vorgesetzten abträglich‹ sein konnten, und deshalb durfte er dem feisten dummen Schwein nicht sagen, was er wirklich von ihm hielt. »Unsere Pinasse hat sie vor
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