Honor Harrington Bd. 16
Kompanie, 2. Bataillon, 877. Solarisches Marinesregiment. Sie führte die Einheit seit Monaten kommissarisch, weil sich der frühere Kompaniechef, Captain Chatteiji, zur Behandlung mehrerer schwerer Wunden, die er sich im Gefecht zugezogen hatte, auf unbegrenztem Genesungsurlaub befand.
Die Bravo-Kompanie war in ihre vier Züge geteilt worden, und diese Züge würden die Speerspitze im Sturm auf Congos Raumstation bilden. Offiziell nahmen sie daran als Freiwillige teil, die als integraler Bestandteil von kompaniestarken Einheiten der neu gegründeten ›Torch Liberation Army‹ kämpften.
Die Maske war fadenscheinig, aber nicht ohne Beispiel. Das OFS setzte oft die Praxis ein, ganzen Einheiten ›Urlaub zu gewähren‹, wenn sie sich ›freiwillig‹ meldeten, einem Regime auf einem abgelegenen Planeten bei der Niederschlagung eines Aufstands ›beizustehen‹. Oder auch, wenngleich seltener, bei der unverhohlenen Eroberung einer anderen Welt. Bei regulären Marines und Schiffen der SLN kam dergleichen nicht vor, doch immerhin existierte der Präzedenzfall.
Außerdem soll die Fassade ja sogar fadenscheinig sein, rief sich Thandi ins Gedächtnis. Zum richtigen Zeitpunkt sollte jeder in der zivilisierten Galaxis die Lüge durchschauen - auch wenn es offiziell natürlich niemand zugeben würde.
So war es theoretisch also die Torch Liberation Army. Praktisch - das hatte Thandi den Ballroom-Pistoleros und ihren
Amazonen eingeschärft, die das Bataillon auf Kampfstärke brachten - würden ihre regulären Soldaten das Kämpfen übernehmen. Das galt zumindest für den Sturm der Raumstation, ganz egal, wie sich das Geschehen entwickelte, nachdem der Angriff auf den Planeten begonnen hatte. Die Vorstellung, welchen regellosen Schaden und welche Verluste durch Eigenbeschuss ein Haufen Amateure beim Erstürmen einer Raumstation anrichtete, verursachte ihr genügend Albträume. Die Ballroomer und Amazonen sollten zwar mitkommen - und den Löwenanteil des Ruhmes einheimsen -, doch Thandi wollte sie auf jeden Fall im Rücken der eigentlichen Kämpfer und damit effektiv außerhalb des Gefechtes sehen.
Sie hatte mit wilden Einwänden gerechnet, doch sie waren ausgeblieben. Zum ersten Mal standen Jeremy X und sie vor einer Meinungsverschiedenheit - und Jeremy hatte sie zu ihrer Erleichterung elegant umgangen. Sie begriff immer mehr, dass hinter der oberflächlichen Maske des manischen Terroristen ein sehr kluger Verstand am Werke war. Jeremy war nicht dumm, und er sah ganz klar, dass ein militärischer Sturmangriff auf eine riesige Raumstation etwas ganz anderes bedeutete als ein Mordanschlag, den ein kleiner Trupp von Killern ausführte. Zumal sie vorhatten, die Raumstation zu erobern - in möglichst intaktem Zustand -, statt sie zu vernichten. Sie sollte schließlich Torchs Raumstation werden und wäre nutzlos gewesen, wenn man sie bei der Wegnahme zerschossen hätte.
Letztendlich führte Thandi also eine Einheit solarischer Marines von Kompaniestärke. Gewiss, in einer Operation, die kaum nach dem Reglement ablief.
Wenn sie an die Gesichter der Marineinfanteristen dachte, als sie informiert wurden, dass sie sich alle freiwillig gemeldet hätten, an dem prächtigen Vorhaben mitzuwirken, Gensklaven aus den Händen von Manpower zu befreien, musste sie noch immer lachen. Wie alle solarischen Marines bestand auch die Bravo-Kompanie aus hartgesottenen Berufssoldaten - der Großteil nur dem Namen nach keine Söldner - mit ungefähr so vielen idealistischen Impulsen wie ein altirdischer Barrakuda. Dennoch erheiterten die Leute sich mehr als über alles andere über die List. Ganz gewiss erhoben sie keine Einwände - nicht unter dem finsteren Blick Lieutenant-Colonel Huangs, nicht, nachdem sie mehrere Monate unter Thandis Befehl gedient hatten. Gewiss, ihre Marines nannten sie nicht die ›Große Kaja‹, sondern die ›Alte Lady‹. Sie sprachen die Wörter jedoch in einem Ton aus, den die Amazonen sofort wiedererkannt hätten.
Der Vorschlag stammte von Captain Rozsak, und er hatte ihn bei einem Treffen am Tage nach Thandis Abschied bei einer Besprechung vorgebracht, bei der alle zentralen Persönlichkeit zugegen waren. Leichthin und ruhig hatte Rozsak alle Pluspunkte der Täuschung aufgezählt. Keineswegs an letzter Stelle legte er die beiderseitigen Vorteile dar, die Torch und der solarische Maya-Sektor aus einer engen Verbindung ziehen könnten, die von Anfang an öffentlich wäre. Der Vorteil für Torch bestand darin, dass der
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