Honor Harrington Bd. 16
nicht so viel Zeit, um jeden mit der tristen Wahrheit zu langweilen.«
Captain Rozsak blickte einen anderen Offizier im Zimmer mit erhobener Augenbraue an, er solle die Antwort geben.
Lieutenant-Commander Jiri Watanapongse richtete sich von dem Lehnsessel auf, auf dem er sich geflegelt hatte. Während die Sendung lief, war er von allen am entrüstetsten gewesen und versuchte noch jetzt, seine finstere Stimmung abzuschütteln.
»Doch, er ist wirklich so gut.« Er bedachte das HD-Gerät mit einem höhnischen Blick. »Klar, man hat die romantischen Aspekte trockengemelkt. Heldenmütige tote Frau, stoischer Witwer, schneidige Tochter, neue unverhoffte Liebe, bla-bla- bla. Die Schöne und die Bestie, Sie wissen schon, Underwood hat alles rausgeholt, was rauszuholen war. Ich garantiere Ihnen, dass genau in diesem Augenblick ...«
Er warf einen höhnischen Blick aufs Fenster. Irgendwo dahinter, hinter den Vorhängen und elektronischen Schilden, die Rozsaks Leute errichtet hatten, kaum dass sie die Hotelsuite in Besitz nahmen, ragte das Gebäude des Suds Emporium in den Himmel, das älteste und noch immer höchste Bauwerk von Maytag, der erewhonischen Hauptstadt. The Suds, wie die Erewhoner es nannten, war ein eigenartiger Bau: Er war Maytags renommiertestes Hotel, seine größte Warenbörse, beherbergte die teuersten Boutiquen - und war, wenn auch nicht theoretisch, so doch praktisch, das eigentliche politische Zentrum des Planeten.
Allgemeinhin wurde angenommen, das ›Suds‹ in seinem Namen sei ebenso wie der Name der planetaren Hauptstadt ein Anerkennungsgeschenk an längst vergessene Gestalten aus Erewhons Frühgeschichte. Furchtlose Pioniere, gewiss, das erewhonische Gegenstück zu Lewis und Clark.
Watanapongse, Rozsaks Nachrichtenspezialist, hatte nachgeforscht und kannte die Wahrheit. Die Gründer der Kolonie Erewhon hatten offenbar einen trockenen Humor besessen. Indem sie längst vergessene Begriffe aus der Frühgeschichte Alterdes ausgruben, hatten sie Namen erschaffen, die nichts als Sticheleien gegen die respektable solarische Gesellschaft waren, die sie hinter sich gelassen hatten, ohne dass besagte Gesellschaft es bemerkte.
Heute zählte Erewhon selbst zu den respektablen Planeten der Galaxis, auch wenn sich dort einige eigenartige Bräuche gehalten hatten, die auf die Ursprünge der Kolonie zurückgingen. Gegründet worden war sie von einem Konsortium erfolgreicher Figuren des organisierten Verbrechen, die nach einer Möglichkeit suchten - der Ausdruck war nach wie vor in Gebrauch, obwohl nur wenige Menschen der modernen Zeit seine Etymologie kannten -, ihr ›Geld zu waschen‹.
Der Hohn in Watanapongses Blick rührte indessen nicht daher, sondern entzündete sich an dem Wissen, welche eigenartige Gruppe sich gleichzeitig mit dem Offizier zu einer Besprechung traf, nur dass sie - dämliche Narren - darauf bestanden, sie in luxuriöser Umgebung durchzuführen, anstatt sich, wie Rozsak und er, für ein bescheidenes und weniger bekanntes Hotel zu entscheiden.
»Bei den Mesanern kann man sich auf eines verlassen«, spottete er, »sie bestehen darauf, nur in ein Klo aus Gold zu scheißen.«
Ein raues Lachen ging kurz durch den Raum. Nach normalen Maßstäben litt keiner der Männer und Frauen in diesem Hotelzimmer unter einer besonders schweren Last aus pedantischen moralischen Bedenken. Der Abscheu jedoch, den sie Mesa und all seinen Umtrieben entgegenbrachten, war nicht bloß die Empfindung hartgesottener Offiziere einer hartgesottenen Gesellschaft. Sogar in ihren Augen war Mesa ein Synonym für Verkommenheit.
»Unser Kurierboot hat das ihre auf dem Weg hierher überholt. Und da wir militärtaugliche Sensoren hatten und als Erste hier waren, konnten wir sie gleich nach dem Wurmlochtransit orten und verifizieren, dass es sich tatsächlich um das Fahrzeug von Jessyk Combine handelte, das Manticore vor uns verlassen hatte.«
Er ließ die Worte einen Augenblick auf sie einwirken. Jessyk Combine war einer der riesigen Konzerne, die das Mesa-System beherrschten. Manpower Unlimited, der größte Gensklavenhändler der Milchstraße, war ein anderer und bei weitem am bekanntesten. Keiner der mesanischen Trusts konnte jedoch für sich in Anspruch nehmen, von ethischen Grundsätzen geleitet zu sein, und insbesondere Jessyk unterhielt enge, wenngleich informelle Beziehungen zu Manpower. Diese Verbindungen waren so lose - oder besser gesagt, so gut getarnt -, dass Jessyk, anders als Manpower, im
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