Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
keine Abstimmungen stattfinden. Aber leider muss ich das Privileg beanspruchen, einen Dringlichkeitsantrag einzubringen.«
Abrupt sank der sonst übliche Geräuschpegel im Saal. Das Stimmengewirr verebbte nicht zur Gänze – Hadley wäre nichts eingefallen, was das hätte bewirken können außer vielleicht einem kinetischen Bombardement. Aber zumindest wurde es im Sternensaal leiser, als sie es je zuvor erlebt hatte. Das war keine Überraschung. Es gab nur äußerst wenige Umstände, unter denen ein Antrag Vorrang vor den bereits eingeplanten Reden gemäß der aktuellen Rednerliste genoss.
»Darf sich das Präsidium erkundigen, auf welcher Grundlage Sie dieses Privileg beanspruchen, Mr. Reid?«, fragte Neng.
»Die Grundlage für Inanspruchnahme dieses Privilegs, Frau Präsidentin, ist eine Bedrohung der Sicherheit der gesamten Solaren Liga«, erwiderte Reid ernst, »und eine verfassungsrechtliche Frage.«
Es wurde noch leiser im Saal, und Hadley musste sich sehr beherrschen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Eine verfassungsrechtliche Frage? Kolokoltsov und seine Komplizen machten sich auf einmal Sorgen um die Verfassung! Wäre ihr nicht gleichzeitig von so viel Philistertum schlecht geworden, hätte sie das himmelschreiend komisch gefunden.
»Der Ehrenwerte Delegierte ersucht um das Privileg, angesichts einer Bedrohung der Sicherheit der Liga einen Antrag zu stellen«, verkündete Neng förmlich. »Wird dieses Gesuch unterstützt?«
»Frau Präsidentin, ich unterstütze das Gesuch!«, erklang eine Stimme aus der Loge von Seacrest.
»Ein Gesuch wurde eingereicht und unterstützt«, hielt sich Neng an das Protokoll. »Das Präsidium bittet um Abstimmung.«
Hadley zog ernstlich in Erwägung, gegen das Gesuch zu stimmen. Aber letztendlich hätte das keinen Unterschied mehr gemacht. Wie Brinton-Massengale schon gesagt hatte: Reids Antrag war bereits fest eingeplant.
Mehrere Minuten vergingen. Die Delegaten, die sich tatsächlich die Mühe machten, an der Abstimmung teilzunehmen, drückten in ihren Logen die entsprechenden Tasten. Der Computer wertete die Abstimmung aus, und Neng betrachtete das Endergebnis.
»Dem Gesuch um das Privileg wurde stattgegeben«, erklärte sie schließlich. »Der Ehrenwerte Delegat möge fortfahren.«
Erneut verschwand das Abbild der Parlamentspräsidentin; nun war wieder Reid zu sehen. Schweigend blickte er sich im Sternensaal um, ehe er sich räusperte und begann.
»Werte Delegatinnen und Delegaten«, sagte er, »es besteht gewiss kein Bedarf, die schmerzlichen Ereignisse der letzten T-Monate noch einmal zusammenzufassen. Die Liga ist uneins mit dem sogenannten Sternenimperium von Manticore, und das wegen eines eigentlich nur kleineren Disputs in den Grenzgebieten. Bedauerlicherweise hat sich Manticore dafür entschieden, in zunehmend aggressiver Art und Weise und unter Einsatz seines Militärs auf die Bemühungen der Liga zu reagieren, die Unverletzlichkeit der Grenzen zu bewahren, gerechte und freie Wahlen abzuhalten und neutrale Dritte vor der einseitigen Aggression seitens einer anscheinend imperialistisch gesinnten Flotte zu schützen.«
Er legte eine Pause ein, und Hadley verdrehte die Augen. Tja, vielleicht konnte man das, was geschehen war, ja tatsächlich so beschreiben – wenn man unbedingt wollte!
»Wie Sie alle wissen, wurde Flottenadmiral Sandra Crandalls Kampfverband im Spindle-System durch manticoranische Streitkräfte angegriffen und nahezu vollständig vernichtet. Ich erlaube mir, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sich das SpindleSystem in einem Raumabschnitt befindet, den das Sternenimperium Talbott-Quadranten nennt. Dieser Raumabschnitt wurde im Zuge eines höchst fragwürdigen Verfassungskonvents im Talbott- Sternhaufen durch Manticore annektiert. Wir sind immer noch bemüht, genau herauszufinden, was sich im Spindle-System zugetragen hat. Aber dass Flottenadmiral Crandalls Verbände aufgerieben wurden und wir durch Manticores Aggression hohe Verluste zu beklagen hatten, ist völlig unstrittig. Manticore selbst bestätigt die Zahl der Toten sogar ausdrücklich. Manticores politische Führung und Medien, ja, sogar einige ihrer Freunde hier in der Liga haben sich damit gebrüstet , wie überwältigend der Sieg der Manticoraner war, als sei der Tod so vieler Männer und Frauen ein Grund zur Freude, nicht der Trauer und des Bedauerns!
Im Angesicht derart schwerer Verluste und trotz der Unnachgiebigkeit der Manticoraner hat die Liga dem
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