Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
Kameraden raubte ihr ein Stück ihrer eigenen Seele. Zugleich hatte sie aber auch die Lektion gelernt, die sie die Sollys hatte lehren wollen: Kriege haben ihren Preis. Sie kosteten Sternenschiffe, sie kosteten Billionen Dollar, und sie kosteten Menschenleben. Ganz egal, wie gut man einen Krieg plante, wie gut man seine Truppen ausbildete, Kriege kosteten Menschenleben. Honor konnte sich unfassbar glücklich schätzen, ›nur‹ zweitausend Verluste beklagen zu müssen – die meisten davon aus ihren LAC-Abschirmverbänden. Zudem hatten elf ihrer Superdreadnoughts kleinere, leicht reparierbare Schäden genommen.
Es waren zweitausend Tote zu viel. Am schlimmsten für Honor war, mit welch fester Überzeugung sie geglaubt hatte, Filareta werde die Hoffnungslosigkeit seiner Lage begreifen. Seine Mimik, seine Körpersprache, seine unverkennbare Verbitterung angesichts der taktischen Lage … das alles hatte dafür gesprochen, Filareta werde ehrenvoll kapitulieren, statt den Tod so vieler Menschen zu verschulden.
»Das muss eine Panikreaktion gewesen sein«, meinte Thomas Theisman langsam und bedächtig. Als ihm Springt-von-droben sanft die Schnauze gegen den Hals drückte, hob der havenitische Kriegsminister die Hand und kraulte ihn. »Ich habe damit auch nicht gerechnet, Honor, aber so muss es doch gewesen sein.«
»Das stimmt wahrscheinlich«, erklärte nun auch Hochadmiral Judah Yanakov. Er stand neben Admiral Alfredo Yu. Formal war Yu als Honors Stellvertreter zwar nur stellvertretender Kommandeur des Protector’s Own, doch faktisch war er der Oberkommandierende dieser Einheit. »Die Schüsse waren noch nicht einmal koordiniert!«
»Wirklich? War es das – eine Panikreaktion?«, fragte Admiral Yu leise.
Aller Blicke ruhten auf ihm. Yu lächelte Theisman müde an. Vor langer, langer Zeit war Alfredo Yu Thomas Theismans Vorgesetzter, Mentor und Freund gewesen. Damals hatte er in dem noch sehr grünen Lieutenant Theisman das Interesse an der Geschichte der Menschheit geweckt – der Geschichte, die sowohl die Legislaturisten als auch das Komitee für Öffentliche Sicherheit seinerzeit (aus unterschiedlichen Gründen) nach Kräften zu tilgen oder umzuschreiben versucht hatten. Ein deutlich reiferer Bürger Admiral Theisman hatte sich später aktiv Rob S. Pierre und Oscar Saint-Just entgegengestellt, gerade weil er sich so sehr für Geschichte interessierte. Natürlich war das mittlerweile zwanzig T-Jahre her. Im Verlauf dieser zwei Jahrzehnte war viel geschehen. Trotzdem wusste der geborene Havenit Yu, der längst ein echter Grayson geworden war, den Blick in den Augen seines ehemaligen Studenten sofort einzuordnen.
»Nein, das soll keine Fangfrage sein, Tom«, sagte er und verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. »Ich meine das ganz ernst. War das wirklich eine Panikreaktion?«
»Was denn sonst, Alfredo?«, fragte Yanakov. »Das war der typische letzte Raketenstart, nachdem sowieso alles den Bach runter ist. Derart viele Raketen hätten die doch unmöglich noch steuern können!«
»Oh ja, das stimmt: hätten sie nicht!«, erwiderte Yu. »Die haben einfach nur sämtliche Gondeln ausgeschüttet und alles, was sie hatten, Lady Harringtons Verbänden entgegengeschickt. Die haben darauf gehofft, dass die bordeigenen Zielsucher der Raketen auch ohne externe Feuerleitung wenigstens das eine oder andere finden, was sie treffen könnten – in der Hoffnung auf eine Überlastung der Abwehr durch diese gewaltige Beschussmassierung. An Verzweiflungsakte wie diesen habe ich selbst auch schon bei so mancher Einsatzplanung gedacht.«
»Genau«, bestätigte Honor ebenso bedächtig wie zuvor Theisman. Konzentriert betrachtete sie Yus gut geschnittenes, kantiges Gesicht und schmeckte dabei die Emotionen des ehemaligen Haveniten. Dort spürte sie etwas – diffus und für sie nicht einzuordnen. Es war sogar fraglich, ob Yu selbst es hätte benennen können. Doch Honor kannte Alfredo Yu mittlerweile gut genug, um ihm seiner Instinkte wegen immens zu respektieren.
»Wir alle haben schon einmal einen solchen Plan gefasst«, fuhr sie fort und schloss mit einer ausladenden Geste alle versammelten Flaggoffiziere ein. »Selbst wenn man nicht damit rechnet, ihn umsetzen zu müssen, stellt man diesen Plan auf – für den Notfall. Aber Alfredo, man setzt ihn nicht in die Tat um, wenn der Gegner anbietet, im Falle einer Kapitulation sämtliche Schiffe und die gesamte Besatzung zu verschonen, nein, niemals!«
»Richtig«,
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