Honor Harrington: Das Mesa-Komplott: Roman (German Edition)
tatsächlich Hochverrat nennen«, gab Yu zu bedenken. »Um verfassungsrechtliche Feinheiten schert sich dabei sicher niemand. Man wird einen Sündenbock suchen. Falls in der Galaxis tatsächlich so etwas wie Gerechtigkeit existiert, wird man die Schuld Kolokoltsov und Rajampet anlasten, ja. Aber mir ist aufgefallen, dass jedwede Gerechtigkeit meist durch Abwesenheit glänzt, wenn es um Politik und alteingesessene, sich selbst erhaltene Regime geht.«
»Damit haben wir selbst ja auch reichlich Erfahrung, nicht wahr?«, meinte Pritchart mit einem schiefen Grinsen. Dabei blickte sie zu Theisman hinüber, nicht zu Yu. »Andererseits fällt mir dabei etwas ein, das Sie einmal über Kolokoltsov und die Grenzsicherheit gesagt haben, Tom.«
»Etwas, das ich gesagt habe?« Erstaunt hob Theisman die Augenbrauen.
»Ja, damals, als wir über die Auswirkungen der Schlacht von Spindle gesprochen haben und wie die Sollys wohl darauf reagieren würden. Ich bemerkte damals, wie wenig Einfluss die Meinung der solarischen Öffentlichkeit doch auf die Entscheidungen der Liga hat. Erinnern Sie sich noch, was Sie darauf erwidert haben?«
»Nein, zugegebenermaßen nicht.«
»Ich glaube, das kann ich sogar noch fast wörtlich zitieren«, fuhr Pritchart fort. Sie sagten: ›Wenn Sie sich erinnern wollen, Madame Präsidentin, gab es auch in der Volksrepublik für die Bürger kein unabhängiges politisches Aufsichtsorgan. Und das hat sich recht abrupt geändert, als die Achte Flotte der Mantys zu Besuch kam und Saint-Just sich plötzlich auch noch um diese unbedeutend winzige Bedrohung kümmern musste.‹«
Kurz herrschte völlige Stille. Dann nickte Benton-Ramirez y Chou.
»Ein Szenario, das zunehmend wahrscheinlicher wird«, meinte er grimmig. »Und das ist ziemlich hart.« Traurig schüttelte er den Kopf. »Praktisch mein ganzes Leben lang weiß ich, dass die Liga durch und durch korrupt ist. Aber es war doch die Solare Liga , das Erbe dessen, was die Menschheit groß gemacht hat! So viele Fehler die Liga auch haben mochte, sie war immer meine Sternnation. Und jetzt das!« Wieder schüttelte er den Kopf. »Jetzt sieht es ganz danach aus, als würde ich selbst einen Teil dazu beitragen, das Kartenhaus zum Einsturz zu bringen. Und ich weiß nicht, ob wir damit nicht genau das tun, was andere wollen, nämlich diese Dreckskerle von Mesa!«
»Wir können es uns nicht leisten, Onkel Jacques, vor lauter Angst, tatenlos zu bleiben. Denn genau das ist, was die Mesaner eigentlich wollen«, sagte Honor sehr sanft, beinahe schon zärtlich. »Da hat Judah ganz recht. Und ich kenne dich doch, ach, ich weiß doch, wie Beowulfianer allgemein ticken! Wenn es auf die Frage hinausläuft, ob ihr das tut, was ihr für das Richtige haltet, oder ob ihr eure Prinzipien opfern sollt, um ein so korruptes System wie die Liga zu retten, dann weiß ich jetzt schon, wofür ihr euch entscheidet!«
»Für euch Mantys gibt es immer nur schwarz und weiß«, neckte ihr Onkel sie.
»Und ihr dekadenten Beowulfianer wollt uns ständig weismachen, für euch gäbe es ausschließlich verschiedene Grautöne!«, versetzte Honor.
»Ach, ist die Welt nicht so?« Dann war Benton-Ramirez y Chou wieder ernst. »Nein, manchmal nicht, da hat meine liebe, so erschreckend hochgewachsene Nichte voll und ganz recht.« Beinahe ein wenig traurig lächelte er Honor an. »Ob uns das passt oder nicht – in einem solchen Fall scheinen die einzigen Zahlungsmittel, die die Geschichte akzeptiert, nun einmal unser Leben, unser Vermögen und unsere heilige Ehre zu sein!«
Kapitel 6
»Erklären Sie es mir bitte noch einmal, Innokentiy: Wie kann es uns dienlich sein, Beowulf in ein falsches Licht zu rücken? Ich scheine Schwierigkeiten zu haben, Ihren Gedankengängen zu folgen!«
Omosupe Quartermains Stimme klirrte, und in ihren blauen Augen blitzte unverkennbar Zorn, als sie Innokentiy Kolokoltsov über den Tisch hinweg anfunkelte. Die Permanente Leitende Staatssekretärin für Handel war alles andere als zufrieden. Allein saßen die beiden Staatssekretärskollegen in einem Hochsicherheitsbesprechungsraum. Keiner ihrer anderen Kollegen und kein Adjutant war zugegen.
»Ich denke immer noch, dass es uns langfristig hilft«, erwiderte Kolokoltsov geduldig. »Ich behaupte ja nicht, es wäre so gut gelaufen wie erhofft. Denn das ist verdammt noch mal nicht wahr! Ob Beowulf anzugehen uns vom Haken hilft, ist in der Tat fraglich. Aber bitte vergessen Sie nicht, dass ich es nie als gute Option
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