Honors Mission: Honor Harrington, Bd. 25. Roman
kleine Information bewusst für mich behalten hatte, bis ich Gelegenheit bekam, Ihren Gesichtsausdruck zu sehen.«
Die meisten anderen Anwesenden lachten angesichts dieser Bemerkung stillvergnügt in sich hinein. Scotty Tremaine war einer von Honor Alexander-Harringtons Zöglingen, schon seit sie seinerzeit mit dem alten Leichten Kreuzer Fearless nach Basilisk Station abkommandiert worden war. Michelle fragte sich, ob er ebenso überrascht wie sie gewesen war zu erfahren, welche Entscheidungen die Admiralität in ihrer unendlichen Weisheit gefällt hatte: Man hatte ihn nicht nur von der LAC-Gemeinde abgezogen (wo er sich nicht nur einen beachtlichen Namen gemacht, sondern sogar die Schlacht von Manticore überlebte hatte!), sondern dem frischgebackenen Captain of the List auch noch eine derartig prestigeträchtige Aufgabe erteilt. Doch nachdem ihr ein wenig Zeit geblieben war, darüber nachzudenken, begriff sie sofort die dahinterstehende Logik. Selbst bei einer Navy, die derart rasch expandierte wie die RMN, benötigten Flaggoffiziere zumindest einige Erfahrung damit, ein konventionelles Sternenschiff zu kommandieren. Doch abgesehen von einem kurzen Abstecher bei der ›Elysäischen Navy‹ während der Flucht von Cerberus (wo er sich zugegebenermaßen außergewöhnlich gut geschlagen hatte), besaß Scotty darin noch keinerlei Erfahrung. Offensichtlich hatte Lucien Cortez entschieden, das endlich zu richten, selbst wenn es vielleicht dem einen oder anderen rangdienstälteren Captain - oder sogar Commodore - nicht ganz passen dürfte, dass Tremaine gleich das Kommando über ein Saganami — C — Geschwader erhalten hatte.
Und sie haben ihm auch genau das richtige Flaggschiff gegeben, sinnierte Michelle. Sie erinnerte sich daran, wie ihr fast die Tränen in die Augen gestiegen waren, als sie zum ersten Mal den Namen HMS Alistair McKeon auf der Liste der Admiralität gelesen hatte, in der die Schiffe von Kreuzerdivision 96.1 verzeichnet waren. Sie wusste nicht, wie das Schiff ursprünglich hätte heißen sollen, doch sie verstand genau, warum man es nach der Schlacht von Manticore umbenannt hatte.
Und auch, warum Tremaine gerade sie zu seinem Flaggschiff erhob.
»Na, dann hoffe ich doch, meine Reaktion habe Ihren Erwartungen entsprochen, Ma’am«, erwiderte er nun, doch sein Grinsen war nicht ganz so schief wie das ihre.
»Och, das wohl... wenn Sie wirklich Spaß daran haben, wie ein verdutztes Rind dreinzublicken«, merkte Michelle an. Dann war es an ihr, den Kopf zu schütteln. »Aber ich sollte wohl zugeben, dass sie auch nicht verdutzter geschaut haben als ich, nachdem diese Depesche eingetroffen ist. Und ich denke, das gilt wohl für uns alle.«
»Amen«, bestätigte Konteradmiral Nathalie Manning leise.
Manning hatte das Kommando über die zweite Division von Oversteegens Schlachtkreuzergeschwader 108 inne. Sie hatte ein schmales, stets wachsam wirkendes Gesicht, braune Augen und kurz geschorenes Haar. Die Admiralität wählte die Kommandeure für Divisionsschiffe der Nike-Klasse nicht nach dem Zufallsprinzip aus: Abgesehen von ihrer Kopfform und ihrer Körpergröße erinnerte Manning Michelle in vielerlei Hinsicht an Honor Alexander-Harrington - nur dass diese Kommandeurin hier jünger war und deutlich härtere Gesichtszüge hatte. Nun lächelte Manning ihrer Vorgesetzten kurz zu, doch hinter diesem Lächeln verbarg sich etwas Scharfes, Beißendes. Fragend wölbte Michelle eine Augenbraue.
»Wissen Sie, Ma’am ...«, setzte Manning an. »Nach den Ereignissen der letzten Monate werde ich einfach ein wenig unruhig, wenn alles zu gut ausschaut.«
»Ich weiß genau, was Sie meinen«, bestätigte Michelle. »Aber gleichzeitig sollten wir uns von all der Weltuntergangsstimmung nicht unterkriegen lassen. Natürlich bin auch ich lieber ein bisschen zu pessimistisch als zu optimistisch, aber es ist schließlich immer möglich, dass irgendetwas einfach besser wird, wissen Sie?«
Vielleicht hätte ich Manning doch nicht ganz so rasch von ihrem Pessimismus abbringen sollen, dachte Michelle Henke siebenunddreißig Stunden später.
Sie befand sich wieder im selben Besprechungsraum, doch dieses Mal waren deutlich weniger Personen anwesend: Oversteegen, Terekhov, Cynthia Lecter, Commander Tom Pope -Terekhovs Stabschef -, Commander Martin Culpepper - Oversteegens Stabschef - und ihre Flaggleutnants. Es war nicht nur ein kleinerer Kreis: auch die Stimmung war ungleich weniger fröhlich. Terekhov und Oversteegen
Weitere Kostenlose Bücher