Honors Mission: Honor Harrington, Bd. 25. Roman
diensttuenden Kommandeurin des KampfVerbandes aufgestiegen. Ihre Stimme klang ein wenig rau, doch Michelle vermutete, das sei bei dieser Frau normal, nicht etwa die Folge ihres Entsetzens ob des Ergebnisses dieses solarischen Angriffs auf das Spindle-System. Anders verhielt es sich mit dem lodernden Zorn in O’Clearys Augen.
»Meine Enterkommandos stehen jetzt bereit, Ihre Superdreadnoughts zu übernehmen, Admiral«, sagte Michelle ruhig. »Mir ist durchaus bewusst, dass Ihre Mannschaften recht aufgewühlt sein dürften. Meine Truppen sind angewiesen, so zurückhaltend wie möglich aufzutreten. Zugleich aber wurden sie daraufhingewiesen, dass ihre eigene Sicherheit und die Erfüllung ihrer Aufgaben Vorrang vor allen anderen Überlegungen haben. Ich hoffe inständigst, dass es auf beiden Seiten niemanden gibt, der für vermeidbare Zwischenfälle sorgt. Aber ich weise sie in aller Form darauf hin, und sei es auch nur fürs Protokoll, dass gemäß der Übereinkunft von Deneb Ihrer Besatzung die Pflicht obliegt, jedwede Zwischenfälle zu vermeiden, indem sie sich meinen Anweisungen ebenso augenblicklich fügen wie auch den Anweisungen seitens jeglicher von mir eingesetzten Prisenmannschaften. Schließlich hat man ihnen gestattet zu kapitulieren.«
O’Clearys Kiefermuskulatur spannte sich sichtlich an. Doch trotz ihres unverkennbaren Zorns hatte sie sich fest im Griff.
»Ich versichere Ihnen, Admiral, dass ich meine Mannschaften darauf bereits eindringlich hingewiesen habe«, krächzte sie. »Wie Sie schon sagten: sie sind wirklich recht aufgewühlt. Ich hoffe ebenso wie Sie, dass es nicht zu ›vermeidbaren Zwischenfällen‹ kommt.«
»Gut.« Michelle deutete ein höfliches Nicken an. Dann räusperte sie sich.
»Sie sind sich gewiss bewusst, Admiral O’Cleary, dass niemand hier im Quadranten Vorkehrungen dafür getroffen hat, eine derart große Anzahl Kriegsgefangener aufzunehmen.«
Michelle sah, wie O’Clearys Augen bei dem Wort ›Kriegsgefangene‹ aufblitzten, doch das war ihr eigentlich egal. Tatsächlich billigte Michelle ihren Gefangenen hier sogar einen Status zu, der nach geltendem, interstellarem Recht nicht nötig gewesen wäre. Das wusste O’Cleary ganz genau. Es hatte keine offizielle Kriegserklärung gegeben, bevor Crandall das souveräne Territorium einer anderen Sternnation angegriffen hatte. Rein rechdich gesehen entsprach ihr Handeln eher Piraterie im großen Stil. Michelle war nicht verpflichtet, den Offizieren und Mannschaften der solarischen Schiffe die Gefälligkeiten zuzugestehen, die regulären Kriegsgefangenen zustanden. Dass Michelle den Angreifern gestattet hatte, gemäß den Bestimmungen der Übereinkunft von Deneb zu kapitulieren, bedeutete, dass sie selbst, Admiral Michelle Henke, sich dafür entschieden hatte, ihnen diesen Status zuzubilligen. Doch ob sie dazu wirklich verpflichtet gewesen wäre, fiel in einen Bereich, den Juristen immer noch als Grauzone zu bezeichnen beliebten.
»Gouverneurin Medusa trifft derzeit Vorkehrungen, Nahrung, Unterkünfte und jedwede erforderliche ärztliche Versorgung bereitzustellen«, fuhr sie ruhig fort. »Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um dafür zu sorgen, dass niemand unnötig leiden muss. Trotzdem wird es sich bedauerlicherweise nicht vermeiden lassen, dass die Unterkünfte und die Versorgung zumindest anfänglich provisorisch ausfallen werden. Wie ich schon sagte, wir versuchen alles, um Härtefälle zu vermeiden. Aber ich weise Sie noch einmal darauf hin, dass gemäß der Übereinkunft von Deneb jede kriegführende Nation zu jedwedem erforderlichen Mittel greifen darf, um unter den Kriegsgefangenen für Ordnung zu sorgen. Das schließt, wie Sie wissen, auch äußerste Gewalt ein. Wir haben nicht die Absicht, Ihre Offiziere oder Mannschaften zur Kooperation zu nötigen, und wir erkennen auch die Klausel der Übereinkunft von Deneb an, es sei die Pflicht eines jeden gefangen genommenen Militärangehörigen, nach Möglichkeit zu fliehen. Aber Sie täten gut daran, Ihre Untergebenen daran zu erinnern, dass diese Klausel ihnen keine Immunität hinsichtlich Gewaltanwendung verschafft, um sie an einer Flucht zu hindern oder für Ordnung in den Gefangenenlagern zu sorgen.«
»War das ein Befehl, Admiral?«, fragte O’Cleary eisig.
»Nein, das war es nicht«, erwiderte Michelle ebenso kühl und überbetont deutlich. »Betrachten Sie es als nachdrückliche Empfehlung. Ich weise Sie darauf hin, dass dieses Gespräch aufgezeichnet wird.
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