Honors Mission: Honor Harrington, Bd. 25. Roman
wirklich existierten, die man den Baumkatzen allgemein zuschrieb. Erst kürzlich war ein eindeutiger Nachweis gelungen.
Honor hatte ihm das nicht verübeln können, und genauso wenig all den anderen Kriegsgefangenen, die in exakt der gleichen Art und Weise reagiert hatten. Die Vorstellung, von einem erfahrenen Analytiker verhört zu werden, der ganz genau wusste, wie man selbst noch die kleinsten Details, die man unbeabsichtigter Weise preisgab, zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen hatte, war an sich schon schlimm genug. Wenn ein solcher Profi aber auch noch durch jemanden unterstützt wurde, der tatsächlich Gedanken lesen konnte, dann war das nicht nur ›schlimm‹, sondern ›ganz und gar entsetzlich«. Natürlich waren Baumkatzen nicht in der Lage, bei Menschen tatsächlich echte Gedanken zu lesen - die mentalen... ja, man musste wohl von ›Frequenzen‹ sprechen, auch wenn der Begriff nicht ganz zu traf, waren anscheinend doch zu unterschiedlich. Allerdings konnten die Haveniten in Kriegsgefangenschaft das unmöglich wissen, und so hatte jeder von ihnen natürlich das Schlimmste angenommen, zumindest anfänglich.
Und von ihrer Warte aus betrachtet war das ja auch schon wirklich schlimm genug. Nimitz und die anderen Baumkatzen mochten ja vielleicht nicht in der Lage sein, echte Gedanken der Gefangenen zu lesen, doch sie spürten eindeutig ihre Emotionen, wann immer sie bewusst logen oder versuchten, ihren Verhörleiter in die Irre zu führen. Und sie hatten auch berichten können, wann diese Emotionen besonders stark wurden -immer dann, wenn bei der Vernehmung ein Thema angeschnitten wurde, das der jeweilige Kriegsgefangene ganz besonders zu meiden versuchte.
Bei den meisten Kriegsgefangenen hatte es nicht lange gedauert, bis sie begriffen hatten, dass selbst mithilfe einer Baumkatze ein Verhörleiter nicht einfach wie von Zauberhand die gesuchte Information aus dem Hirn des Befragten herausholen konnte. Natürlich verschafften die 'Katzen den Verhörleitern einen gewaltigen Vorteil, doch die Kriegsgefangenen hatten eines sehr schnell herausgefunden: Wenn sie sich einfach weigerten, auf eine Frage zu antworten - was gemäß der Übereinkunft von Deneb ihr gutes Recht war-, dann konnten auch die pelzigen kleinen Lügendetektoren keine spezifischen Informationen aus ihnen herausholen.
Trotzdem verübelten zumindest einige der Haveniten den Verhörleitern die Anwesenheit der 'Katzen immens; ein beachtlich großer Teil der Kriegsgefangenen hatte sogar einen regelrechten Hass auf sie entwickelt, als wäre die Fähigkeit der Baumkatzen, die Gefühle anderer zu spüren, eine Form körperlicher Gewaltanwendung. Die überwiegende Mehrheit jedoch ging das Ganze deutlich rationaler an, und einige von ihnen - darunter auch Tourville, der schon Vorjahren zum ersten Mal die Gelegenheit gehabt hatte, mit Nimitz zu interagieren -waren einfach viel zu fasziniert von diesen Wesen, um sich über ihre Gegenwart zu ärgern. Natürlich kam bei Tourville noch etwas anderes hinzu: Dass er seinerzeit wirklich sein Bestes gegeben hatte dafür zu sorgen, dass Nimitz’ Person während ihrer Gefangenschaft anständig und ehrenhaft behandelt wurde, hatte dafür gesorgt, dass Nimitz ihn ernstlich mochte. Und, wie Honor während der fünf Jahrzehnte, die sie nun schon gemeinsam verbracht hatten, viele Male angemerkt hatte, konnte nur ein wirklich hartgesottener Griesgram Nimitz widerstehen, wenn der ’Kater es darauf anlegte, einfach nur süß und entzückend zu sein.
Innerhalb von weniger als zwei Wochen hatte er Tourville um den - pelzigen - Finger gewickelt, trotz des immer noch alles andere als entspannten Verhältnisses zwischen dem havenitischen Offizier und Honor. Es hatte keinen Monat gedauert, da durfte Nimitz auf Tourvilles Schoß liegen und wohlig schnurren, wann immer der Admiral ihm während seiner Besprechungen mit Honor beinahe geistesabwesend das Fell kraulte.
Natürlich muss ich mich fragen, wie Lester wohl darauf reagieren würde, sollte er herausfinden, dass ich seine Emotionen genauso deutlich lesen kann wie Nimitz, dachte sie, bei Weitem nicht zum ersten Mal.
»Er wollte gewiss nichts Respektloses andeuten«, versicherte Honor Tourville nun. Der Havenit stieß ein Schnauben aus.
»Natürlich nicht! « Der Admiral aus der Republik lehnte sich in seinem Sessel zurück und schüttelte den Kopf. Dann neigte er den Kopf zur Seite und blickte Honor an. »Darf ich mich erkundigen, was mir die Ehre der heutigen
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