Honors Mission: Honor Harrington, Bd. 25. Roman
verkniffen. Verachtung - oder zumindest mangelnden Respekt - einem Flaggoffizier gegenüber an den Tag zu legen, war immer riskant, aber natürlich besonders dann, wenn die Respektlosigkeit von einem Offizier der Grenzflotte gegenüber einem Flaggoffizier der Schlachtflotte ausging. Und noch mehr, wenn es sich bei besagtem Flaggoffizier um den unmittelbaren Vorgesetzten des Grenzflotten-Offiziers handelte.
Bedauerlicherweise war Irene Teague zu dem Schluss gekommen, dass al-Fanudahi die ganze Zeit über recht gehabt hatte: Diese »absurden Berichte‹ über irgendwelche ›Superwaffen‹ der Royal Manticoran Navy waren, genau wie er das gesagt hatte, in Wahrheit doch nicht so absurd. Ihres Erachtens war das eindeutig bewiesen durch das, was Josef Byng vor New Tuscany widerfahren war. Und genau das schien Cheng Haishwun, dem Leiter des Amtes für Operationsanalyse, immer noch zu entgehen. Doch eben diesem Haishwun waren al-Fanudahi und sie nun einmal unterstellt.
»Das Memo, in dem es um die Einsatzbesprechung nächste Woche geht«, erklärte al-Fanudahi. »Das mit Kingsford und Thimár. «
»Oh. «
Teague legte die Stirn in Falten und versuchte sich zu erinnern, in welchem ihrer riesigen Korrespondenz-Ordner sie besagtes Memo abgelegt hatte. Die Hälfte des ganzen Krams, den sie Tag für Tag abspeicherte, hatte sie noch nicht einmal geöffnet, geschweige denn gelesen. Überall schwirrten im Haupt- und in den Nebengebäuden der Navy Memos, Briefe, Konferenzberichte und Gesuche umher (und dazu der ganze andere Kram, der sich nur mit ›Mist‹ beschreiben ließ). Niemand konnte das alles im Auge behalten! Nicht, dass die Urheber dieses ganzen Wortgeklingels das jemals zugegeben hätten. Der eigentliche Grund für all diese Schreiben war schließlich ihr verzweifelter Versuch, in jeder Hinsicht ihren eigenen Hals zu retten. Die Entschuldigung, der Tag sei einfach nicht lang genug, um das alles zu lesen, machte auf sie keinen Eindruck. Sie zückten im Bedarfsfall bloß einen Ausdruck des einen oder anderen Schreibens und fuchtelten einem damit unter der Nase herum.
Teague gab einen Befehl ein und überprüfte ein Verzeichnis. Dann zuckte sie mit den Schultern, wählte ein anderes Verzeichnis aus und schnaubte.
»Jawoll. Da ist sie. « Sie blickte auf. »Brauchen Sie einen Ausdruck? «
»Schicken Sie mir das Ding einfach noch einmal«, erwiderte al-Fanudahi mit einem leicht verlegenen Grinsen. »Ich habe keinen blassen Schimmer, wo ich meins abgespeichert habe. Aber ich muss wissen, ob auch Polydorou oder einer seiner Vertreter dort erscheinen sollen. «
»Einen Moment. « Teague überflog das Memo, dann zuckte sie erneut die Achseln. »Wenn ja, dann steht das hier nirgends. «
»So hatte ich das auch in Erinnerung. « Al-Fanudahi verzog das Gesicht. »Nicht gerade ein gutes Zeichen, oder? «
»Wahrscheinlich nicht«, stimmte Teague ihm nach kurzem Nachdenken zu. »Andererseits aber vielleicht doch. Wenn die Ihnen überhaupt zuhören, dann bleibt ihm wenigstens weniger Vorwarnzeit, den eigenen Hals zu retten, bevor irgendjemand ihm gezielte Fragen stellt. «
»Und für wie wahrscheinlich halten Sie das? «
»Nicht sonderlich«, gab sie zu.
Bislang hatte Cheng einfach noch nicht begriffen, wie kurz davor die SLN stand, ihre Finger in den Fleischwolf zu stecken. Admiral Martinos Polydorou hingegen, der Leiter des Amtes für Systementwicklung, befand sich noch in der Phase aktiven Leugnens. Der SysEn-Chef gehörte zu den führenden Köpfen hinter der Initiative ›Fleet 2000‹. Er war noch mehr als die meisten seiner Kollegen überzeugt von der absoluten technologischen Überlegenheit der Solaren Liga.
Theoretisch gehörte es zu den Aufgaben der SysEn, die Flotte immer weiter zu optimieren, ständig nach neuen Anwendungsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Verbesserung der Technik zu suchen. Natürlich lag es theoretisch auch im Aufgabenbereich der OpAn, all die operativen Daten auszuwerten, die auf mögliche Bedrohungen hinwiesen. Angesichts der Tatsache, dass al-Fanudahi in seiner Karriere vor allem deswegen seit Jahrzehnten auf der Stelle trat, weil er versucht hatte, genau das zu tun, war es vermutlich nicht sonderlich überraschend, dass Polydorous Untergebene nicht dazu neigten, ihm zu widersprechen. Schließlich war Teague eine der wenigen Auswerter der OpAn, die al-Fanudahis Besorgnis teilten... und Daud ibn Mamoun al-Fanudahi hatte sie ausdrücklich angewiesen, über diese Kleinigkeit schön brav den
Weitere Kostenlose Bücher