Honors Mission: Honor Harrington, Bd. 25. Roman
vor allem damit beschäftigt waren, einander mit unverhohlenem Misstrauen zu beäugen. Obwohl die Aufzugskabine wirklich geräumig war, reichte der Platz doch nicht aus, dass noch weitere havenitische Würdenträger einsteigen konnten, denn weder Honors Waffenträger noch die Angehörigen von Sheila Thiessens Präsidentenschutzabteilung waren auch nur ansatzweise bereit, ihren Platz zu räumen, nur damit irgendwelche Kabinettsmitglieder mitfahren konnten.
»Hin und wieder ist es wirklich ein wenig kompliziert, so viele verschiedene Personen gleichzeitig sein zu müssen«, ging Honor auf Pritcharts Frage ein. Ihr Lächeln fiel ein wenig schiefer aus als das der Präsidentin. Und das lag nicht nur an den künstlichen Nerven in einem ihrer Mundwinkel. »Welcher Titel wäre Ihnen denn am genehmsten, Madame Präsidentin?«
»Nun, ich muss zugeben, dass wir hier in der Republik eine gewisse Aversion gegen jeglichen Adel entwickelt haben, ob nun eine offizielle Urkunde dazugehört wie in Ihrem eigenen Sternenkönigreich, oder ob es sich lediglich um einen Defacto-Adel handelt wie seinerzeit bei den Legislaturisten hier in der Heimat. Also würde es ... sagen wir gemischte Gefühle hervorrufen, wenn wir einen Ihrer Adelstitel benutzen würden. Andererseits sind wir uns Ihrer Errungenschaften und Leistungen durchaus bewusst, und das aus vielerlei Gründen.«
Kurz verspannte sich Pritcharts Mund, und ihre Topasaugen schienen sich zu verdunkeln. (Honor hatte festgestellt, dass diese Augen noch viel beeindruckender waren, wenn man sie persönlich und aus nächster Nähe betrachtete. Keine der Bildaufzeichnungen, die sie bislang von der Präsidentin gesehen hatte, trug diesem Anblick auch nur ansatzweise Rechnung.) Sie schmeckte die schmerzende Trauer und das Bedauern, das hinter dieser Dunkelheit lag. Auch Honor kniff kaum merklich die Lippen zusammen. In ihren Gesprächen mit Lester Tourville über die Führungsspitze der Republik hatte er ihr bestätigt, dass während der Schlacht von Lovat auch Javier Giscard, Pritcharts langjähriger Lebensgefährte, im Kampf gegen die Achte Flotte gefallen war.
Und dass Honor Alexander-Harrington ihn getötet hatte.
Ihre Blicke trafen sich, und es hätte nicht Honors Empathie-Sinnes bedurft, um genau zu wissen, dass sie beide das Wissen im Blick des anderen erkannt hatten. Doch in diesem Wissen waren noch andere Dinge verborgen. Ja, Honor hatte Javier Giscard getötet, und das bedauerte sie auch. Doch zugleich war er auch nur einer von Tausenden von Haveniten gewesen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Kampf gegen Honor oder gegen Schiffe unter ihrem Kommando das Leben verloren hatten. Auch bei Giscards Tod hatten keinerlei persönliche Beweggründe eine Rolle gespielt. Dieser Unterschied war ihnen beiden, Pritchart ebenso wie Honor, eindeutig klar, denn sie hatten schon - anders als die meisten anderen Offiziere der Navy - mit eigener Hand Gegner getötet. Sie hatten aus nächster Nähe Feinde umbringen müssen. Und wenn man dem Feind dabei in die Augen blickte, dann wurde es auf einmal persönlich. Diesen Unterschied kannten sie beide, und das Schweigen, das sich in der Fahrstuhlkabine ausbreitete, zeigte dieses Verständnis nur allzu deutlich - zusammen mit jenem Sog des Schmerzes und der Trauer, die kein Verständnis jemals würde vertreiben können.
Dann räusperte sich Pritchart.
»Wie ich schon sagte, wir sind uns Ihrer Errungenschaften und Leistungen durchaus bewusst. Da Sie als Freisassin geboren sind und sich all diese dekadenten Titel hart erarbeitet haben, sind wir bereit, sie als Geste des Respekts auch zu verwenden.«
»Ich verstehe.«
Honor blickte die Frau mit dem platinblonden Haar an. Aus nächster Nähe war Pritchart eine noch deutlich beeindruckendere Persönlichkeit, als sie erwartet hatte, selbst nach Michelle Henkes Berichten über ihre eigenen Gespräche mit der Präsidentin der Republik Haven. Diese Frau verströmte die Aura einer Person, die genau wusste, was sie war, und ihre Emotionen - das, was die Baumkatzen ihr ›Geistesleuchten‹ nannten - waren die eines Menschen, der dies auf die harte Tour gelernt und einen gewaltigen Preis für das gezahlt hatte, was ihre Überzeugungen ihr abverlangten. Doch trotz der Belustigung in der Stimme der Präsidentin war unverkennbar, dass die Frage, die sie ihrer Besucherin gestellt hatte, sie ein wenig beunruhigte. Honor fragte sich, warum dem wohl so sei.
Sie hat Mike als Gräfin Gold Peak angesprochen...
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