Hope - ein weihnachtlicher Streifzug (German Edition)
Hörbar wurde am anderen Ende Luft geholt. »MISTER Carter! Ich ...«
»Tut mir leid«, unterbrach er sie, ehe sie sich in die übliche Rage reden konnte. Diesmal nicht einmal unwirsch, sondern nur müde. »Ich bin momentan nicht zu Diskussionen aufgelegt. Tut mir leid«, fügte er nochmals hinzu, bevor er das Gespräch beendete und gleichzeitig den Stecker zog.
Alles, aber das würde er nicht ertragen.
Am nächsten Tag war der Heilige Abend und die Stimmung recht heiter – also die der Kinder. Josh tat so, als ob, denn er hätte, ihnen endlich sagen müssen, dass er es versaut hatte. Hätte, doch er tat es natürlich nicht, weil er ja nach wie vor auf sein Wunder lauerte. Der Vormittag verstrich ohne jedes fantastische Ereignis, und als der Nachmittag heranbrach, wurde es mittlerweile ziemlich knapp. Aber noch war nichts verloren.
Obgleich kein Baum vorhanden war, versuchte er, ein wenig weihnachtliche Atmosphäre zu schaffen. Was in sich die nächsten Gefahren barg. Sie hatten den Weihnachtsbaumschmuck herausgekramt, und obwohl David nichts sagte, spürte Josh immer wieder dessen fragenden Blick auf sich liegen. Alice ramschte das Lametta zusammen und hielt irgendwann ratlos die etwas verknäuelten Metallstreifen in der Hand.
Wo war der Baum?
Dies wäre jetzt tatsächlich der geeignete Zeitpunkt gewesen, um seinen Kindern reinen Wein einzuschenken. Aber Josh verschob die Beichte von Sekunde zu Sekunde, schimpfte sich nebenbei einen Idioten, weil er es damit auch nicht besser machte, und brachte es dennoch nicht fertig, sich endlich zu überwinden.
Stattdessen wartete er auf das verdammte Wunder.
HEY! Es war Weihnachten, da waren die doch üblich, oder? Also bitte!, dachte er. So langsam wird es Zeit! KOMM!
Die Kinder sagten auch nichts, als sie am Abend das Gros an Weihnachtsschmuck unverrichteter Dinge wieder einpackten. Wenigstens glaubte Josh, dass das Dekorieren ihnen etwas Freude bereitet hatte. Inzwischen hingen Lichterketten im Fenster, auf seinem alten Klavier, das ohnehin nur noch als Staubfänger diente, stand die Krippe und auf dem Tisch eine große Kerze.
Als es dann tatsächlich klopfte, fuhr er so heftig zusammen, dass ihm die Kiste mit dem Christbaumschmuck aus der Hand fiel.
WAS?
Mit klopfendem Herzen eilte er zur Tür, hatte wirklich keine Ahnung, wer DAS nun wieder sein sollte.Er hatte doch überhaupt kein Lotto gespielt!
Nachdem er geöffnet hatte, starrte er in das ziemlich verfrorene Gesicht von ... »SIE?«
»S-sicher!« Trotz offensichtlicher Erfrierungserscheinungen brachte sie es auf den üblichen trockenen Ton. »W-wenn der Prophet nicht zum Berg k-kommt, dann, m-muss sich eben der Berg aufmachen.«
Verdammt!
Josh holte tief Luft. »Ich denke nicht, dass es erforderlich ist ...« Weiter kam er nicht, denn soeben linste David in den Flur. »Bethy!«, brüllte der in der gleichen Sekunde und stürzte sich auf sie.
Alice ließ natürlich nicht lange auf sich warten. »ETHY!« Sie brauchte etwas länger, aufgrund der kürzeren Beine, doch wenig später umarmte (B)Ethy die beiden und Josh sah ein, dass er sie wohl oder übel hereinbitten musste.
Er half ihr sogar aus dem Mantel, weil sie dazu derzeit selbst nicht in der Lage dazu war. Konnte Josh nachvollziehen. Irgendwann war der Grad der Erfrierung so enorm, dass man überhaupt nichts mehr spürte, schon gar keine Finger, Arme, Beine und Füße. Sie hatte sich bei der Kälte am Heiligen Abend hinausgewagt, nur um nach seinem kleinen Mädchen zu sehen, weshalb er vermutete, dass er ihr wohl auf irgendeine Art dankbar sein musste. Auch wenn er nicht darum gebeten hatte, sich momentan immens überfahren fühlte und nicht wusste, wie er diese Situation meistern sollte.
* * *
N achdem ihr Mantel erfolgreich an der Garderobe hing, trat sie mit Alice auf dem Arm ins Wohnzimmer und ihre Augen wurden groß. »Oh, das ist aber hübsch!«
Josh räusperte sich, im Stillen dankte er sich für die zweitägige Putzeinlage. »Setzen Sie sich doch!«
Was sie dann auch tat. David neben sich, Alice auf dem Schoß. »Wie geht’s dir, Sweety?«, erkundigte sie sich mit derart warmer Stimme, dass es Josh mal wieder total umwarf.
Also, die Frau bestand offenbar tatsächlich aus etlichen Persönlichkeiten. Da gab es einmal die Zicke, die war vorrangig vertreten, dann dieses gurrende Etwas, das er am vergangenen Wochenende kennenlernen durfte (okay, er betrachtete es eher als Fluch, dessen schaurige Erinnerungen sich nur schwer abschütteln
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