Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Flasche
Sekt oder sowas dabei?“
„Na klar“,
erwiderte ich, „was darf’s denn sein? Rotkäppchen, Asti oder vielleicht ein
Fläschchen Mumm?“
„Am liebsten
trinken wir...“
Ich unterbrach
das Fräulein abrupt.
„Das war ein
Scherz. Ich habe keine Flaschen dabei. Außerdem sind wir in Utah. Hier bekommen
wir auch so schnell keinen Alkohol. Schon gar nicht an der Tankstelle, an der
wir unseren nächsten Halt machen.“
„Das glaub‘
ich jetzt nicht. In Deutschland kriegt man an jeder Tanke was.“
„Tut mir leid,
junge Frau. Bei den Mormonen läuft’s eben ein bisschen anders. Aber singen
können wir gerne.“
Ich griff zum
Mikrofon und bat die Gruppe, in ein kräftiges Ständchen einzustimmen.
Anschließend erklärte ich den Gästen kurz und bündig, warum an diesem Vormittag
nur mit Wasser angestoßen werden konnte. Schluss, aus und erledigt. Dachte ich.
Eine halbe
Stunde später machten wir eine Pinkelpause in Mount Carmel Junction ,
einer großen Wegkreuzung mit Tankstelle und kleinem Souvenirladen.
„Sobald unser
Fahrer den Bus vollgetankt hat, steigen wir alle wieder ein und dann geht’s
weiter“, rief ich den Leuten beim Aussteigen nach. Ich hatte ja keine Ahnung,
was mich erwartete.
Die Strecke
von Page zum Bryce Canyon bietet eine Menge Abwechslung. Der Lake Powell ist
mit über dreitausend Kilometern Uferfläche der wohl imposanteste Stausee der
USA. Eingebettet in eine bizarre Mondlandschaft sind die Ausmaße des Sees
allerdings nur aus der Luft zu erkennen. Auf einigen Reiseprogrammen wird
fakultativ ein Rundflug über den See angeboten. Für viele Gäste ist dieser Flug
der Höhepunkt der gesamten Reise. Die Schönheit der Landschaft kann mit Worten
kaum beschrieben werden, und nicht selten haben Gäste nach der Landung Tränen
der Begeisterung in den Augen. Die Fahrt durch Utah hat ebenso ihre Reize und
ist sehr abwechslungsreich. Utah trägt den Beinamen „The Red Rock State“, der
Staat der roten Felsen. Von denen sehen wir unterwegs eine ganze Menge in
verschiedensten Formen und Schattierungen. Ganz besonders reizvoll ist die
Umgebung von Kanab, einer abgelegenen Ortschaft, den die Filmemacher von
Hollywood schon früh für sich entdeckt und als Ausgangspunkt für viele
Westernproduktionen angesteuert haben. Auch die meisten Menschen dieses Staates
fallen aus dem Rahmen der Norm. Nicht etwa aufgrund äußerlicher Schönheit, eher
hinsichtlich einer Mentalität, die sehr von ihrer Religion bestimmt ist. Knapp
siebzig Prozent der Gesamtbevölkerung gehören der Kirche der Heiligen der
letzten Tage, also den Mormonen an. Diese Organisation hat sehr strenge
Richtlinien und gehört zu den wohlhabendsten und somit auch zu den mächtigsten
Kirchen des Landes. Sie finanziert sich in erster Linie durch das Gesetz des
Zehnten. Das bedeutet, jeder Mormone gibt zehn Prozent seines Bruttoeinkommens
an die Kirche ab. Gegründet wurde die Religionsgemeinschaft um 1830 von einem
Mann namens Joseph Smith, der später zum Prophet wurde. Ihm war als junger Mann
ein Engel namens Moroni erschienen. Dieser erteilte ihm angeblich den Auftrag,
nach versteckten Goldplatten nahe dem Haus seiner Eltern zu suchen. Eingeritzt
auf diesen Platten sollen sich Originaltexte befunden haben, aus denen Joseph
Smith das Buch Mormon zusammenstellte. Bis heute sind über 140 Millionen Kopien
dieser Schrift in 104 Sprachen auf der ganzen Welt verbreitet worden. Weltweit
zählt die Kirche über zwölf Millionen Mitglieder. Eine erstaunliche Zahl, wenn
man bedenkt, dass Mormonen prinzipiell weniger Spaß haben als viele andere
Menschen. Die Kirchenmitglieder sind unter anderem angehalten, dem „Wort der
Weisheit“ zu folgen. Dieser Regelsatz verbietet den Genuss von Tabak, starkem
Getränk und heißem Getränk. Mit dem Ausdruck „starkes Getränk“ sind
alkoholische Getränke gemeint, und gemäß der Aussage des Propheten Joseph
Smith, bezieht sich der Ausdruck „heißes Getränk“ auf Tee und Kaffee. Neben
Tabak sind auch andere Drogen bei den Mormonen ganz und gar nicht willkommen.
Ebenso ist Sex vor der Ehe ein Tabu. Und dann ist da noch die Vielweiberei. Ein
brisantes Thema, dass seit der Eingliederung Utahs in die Gemeinschaft der
Vereinigten Staaten immer wieder heiß diskutiert wird. In den USA ist Polygamie
verboten und auch die Kirche der Heiligen der letzten Tage untersagt inzwischen
ihren Mitgliedern die Vielweiberei strengstens. Trotzdem gibt es zahlreiche
Splittergruppen der offiziellen
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